Ghostwalker 04. Fluch der Wahrheit
Freundin Claire darüber reden können, doch sie hatte ihr nie von den Wandlern erzählt und damit zum ersten Mal in ihrem Leben ein Geheimnis vor ihr. Und was für eines: Die Tatsache, dass es Menschen gab, die sich in einen Berglöwen verwandeln konnten, war unglaublich, wenn man es nicht selbst gesehen hatte. Genau das war aber das Problem: Es durfte niemand wissen, weil die Wandler sonst gejagt und für wissenschaftliche Zwecke ausgebeutet oder vielleicht sogar getötet werden würden. Normalerweise hätte Isabel diese Befürchtungen von Marisa und ihren Freunden nicht geglaubt, doch sie hatte gesehen, wozu ihr Vater fähig gewesen war, der wegen seiner wichtigen Forschungen zuvor stets ein Vorbild für sie gewesen war. Nein, sie konnte Claire nicht mit in die Sache hineinziehen, sosehr sie auch ihre Unterstützung gebraucht hätte.
Als sie ihre Tasche packte, fühlte Isabel sich einsamer als je zuvor.
Caitlin strich zum wahrscheinlich hundertsten Mal über ihre Bluse, obwohl sie wusste, dass sie tadellos saß. Sie hatte sie extra deswegen ausgesucht, denn sie lenkte von ihren zu breiten Hüften und ihren ein wenig zu rundlichen Armen und Schultern ab. Außerdem hob der tiefe Ausschnitt ihr Dekolleté hervor, und auch die weite Hose diente dazu, ihre wahre Figur zu verschleiern. Es war vielleicht albern, sich für einen Mann schön zu machen – zumindest so weit das ging –, den sie gerade erst kennengelernt hatte. Caitlin zuckte mit den Schultern. Aber vermutlich war es auch nicht verrückter, als ihm ihr Gästeapartment anzubieten und ihn zum Essen einzuladen. Langsam ging sie durch den dunklen Garten, um Torik zu sagen, dass das Essen fertig war. In der Badewanne war ihr eingefallen, dass sie gar keine Zeit ausgemacht hatten und er wohl nicht von selbst zum Haus herüberkommen würde.
Automatisch sah sie durch das Fenster in den hell erleuchteten Raum und erstarrte. Torik stand splitterfasernackt vor dem Schrank, in dem er etwas zu suchen schien. Caitlin wusste, sie sollte sich abwenden und zum Haus zurückkehren, doch sie konnte ihren Blick nicht von dem grandiosen Anblick losreißen. Toriks Haut war überall gleichmäßig braun, wahrscheinlich dank seiner indianischen Vorfahren, und überzog einen schlanken, aber doch muskulösen Körper. Verdammt, sie war ein Spanner! Trotzdem konnte sie sich nicht vom Fenster abwenden, sondern prägte sich jede faszinierende Einzelheit genau ein. Am besten gefiel ihr, dass er nicht so künstlich aufgepumpt und auch nicht so verdammt jung aussah wie die Männer, die vom Verlag als Covermodels verwendet wurden. Wehmütig überlegte sie, wie gerne sie ein Foto von ihm gemacht hätte, damit sie ihn auch später noch nach Herzenslust betrachten konnte.
Als Torik jedoch plötzlich zum Fenster blickte, sprang Caitlin erschrocken zurück. Hatte er sie gesehen? Sie stand im Dunkeln, er musste schon Katzenaugen haben, um sie dort zu entdecken. Trotzdem schienen seine Augen sich direkt in ihre zu bohren, während er eine Jeans überstreifte. Hitze schoss durch Caitlins Körper, doch sie wandte sich nicht ab. Von der Seite sah er mindestens genauso gut aus wie von hinten, und von vorne … Caitlin schluckte trocken und beobachtete gierig, wie sich die Muskeln in seinem Oberkörper bewegten, während er ein schwarzes T-Shirt überzog. Plötzlich wurde ihr jedoch klar, dass Torik jederzeit nach draußen kommen konnte, und nach einem letzten sehnsüchtigen Blick lief sie zum Haus zurück.
Sie schloss die Tür hinter sich und lehnte sich mit dem Rücken dagegen, während sich ihr Herzschlag nur langsam beruhigte. Mit den Händen bemühte sie sich, ihre zerzauste Frisur zu bändigen, aber vermutlich machte sie es damit noch schlimmer. Schließlich gab sie auf und beschloss, lieber nachzusehen, ob sie auch nichts auf dem Esstisch vergessen hatte. Wenn sie alleine aß, benutzte sie den kleinen Tisch in der Küche, doch heute hatte sie sogar ihr gutes Geschirr herausgeholt. So oft sie sich auch sagte, dass sie sich die Mühe nur machte, um sich bei Torik für seine Hilfe zu bedanken, wusste sie doch, dass es noch einen ganz anderen Grund gab. Und der hatte nichts mit dem Überfall zu tun, sondern viel mehr mit ihren Hormonen.
5
Caitlin zuckte zusammen, als es an der Tür klopfte. Ihre Aufregung steigerte sich, und sie war froh, dass Torik sie vorhin nicht beim Spannen erwischt hatte.
Nach einem tiefen Atemzug öffnete sie die Tür und lächelte ihren Gast an. »Hallo, Sie kommen
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