Ghostwalker 04. Fluch der Wahrheit
mit ihren großen silbergrauen Augen anblickte, hatte er Mühe, sich auf das zu konzentrieren, weshalb er hergekommen war. Okay, der tiefe Ausschnitt war auch eine gewisse Ablenkung.
Torik war sich sicher, dass der Knopf unabsichtlich aufgegangen war, wahrscheinlich, als sie zum Haus zurückgelaufen war, nachdem sie ihn beobachtet hatte. Er hätte sie nicht davon abhalten sollen, ihn wieder zu schließen, aber in dem Moment war es ihm wie ein Verbrechen vorgekommen, all die schönen Rundungen zu verstecken. Seinetwegen hätte sie auch ruhig völlig nackt herumlaufen können, aber das konnte er einer Menschenfrau kaum sagen. Torik drehte sich um, als er ihre leisen Schritte auf dem Parkett hörte. Ihr Duft umwehte ihn, und er atmete tief ein.
»Stört es Sie, wenn ich ein Glas Wein trinke? Ich habe das Gefühl, ich brauche etwas Beruhigendes, damit ich schlafen kann.«
»Nein, natürlich nicht.« Er sah zu, wie sie die Gläser auf den kleinen Couchtisch stellte, und bemühte sich, nicht auf ihr rundes Hinterteil zu starren, als sie sich bückte. »Haben Sie in allen Räumen des Hauses so viele Bücher?«
Caitlin wandte sich ihm zu und lachte. »Im Bad habe ich keine, wegen der Feuchtigkeit, und in der Küche nur die Kochbücher. Aber sonst überall, ja.«
Der Ausschnitt ihrer Bluse war beim Bücken verrutscht und enthüllte den Großteil ihrer linken Brust, oder vielmehr ihren sehr knappen und beinahe durchsichtigen schwarzen Spitzen- BH . Torik versuchte, nicht zu offensichtlich zu starren, aber es fiel ihm schwer. Nur der Gedanke, dass Caitlin sich sofort wieder bedecken würde, wenn sie es bemerkte, hielt ihn davon ab. Ein Gentleman würde sie wahrscheinlich dezent darauf hinweisen, aber das war er nie gewesen. Torik schüttelte innerlich den Kopf, als er merkte, dass er schon wieder den Grund seines Hierseins aus den Augen verlor. Warum hatte er solche Probleme damit, sich zu konzentrieren? Es war ja nicht so, als hätte er noch nie nackte Haut gesehen, ganz im Gegenteil, normalerweise war er völlig immun dagegen. Vielleicht lag es daran, dass Caitlin so anders war als die Wandlerfrauen oder weil sie eben nicht völlig nackt war, sondern er immer nur kleine Stückchen von ihr sehen konnte. Oder war durch den Kampf sein Beschützerinstinkt geweckt worden, und er sah in ihr deshalb jetzt etwas anderes als einen Feind der Wandler? Auf jeden Fall machte es seine Aufgabe nicht leichter, wenn er sich ständig ablenken ließ.
Als Caitlin sich auf das Sofa setzte, nahm er in einem der Sessel Platz, die ihr gegenüber standen. So kam er nicht in Versuchung, sie zu berühren, und hatte gleichzeitig einen wunderbaren Ausblick. Caitlin beugte sich vor und schob sein Glas über den Tisch. Dabei meinte er fast den Hauch einer Brustwarze zu sehen, aber vermutlich war das nur seine Einbildung. »Danke.« Es war ihm peinlich, wie rau seine Stimme klang. Nur gut, dass niemand aus der Gruppe ihn so erlebte.
»Darf ich fragen, was Sie so machen? Beruflich, meine ich.« Caitlin klang unsicher, so als wüsste sie nicht, ob er ihr antworten würde.
»Ich bin im Sicherheitsbereich tätig.« Mehr oder weniger. Als Wächter war er für die Sicherheit des Lagers und seiner Bewohner zuständig.
Ihre Miene hellte sich auf. »Ah, deshalb konnten Sie meine Angreifer so leicht besiegen. Was für ein Glück, dass Sie in der Nähe waren und den Überfall bemerkt haben!«
Mit Glück hatte das zwar nichts zu tun, aber das konnte er ihr kaum sagen. »Ich bin froh, dass ich Schlimmeres verhindern konnte.« Sein Blick glitt zu ihrem Hals, auf der hellen Haut waren rote Abdrücke zu erkennen, die sich langsam bläulich verfärbten.
Ein Schauder lief durch Caitlins Körper. »Ich habe versucht, mich zu wehren, aber er war einfach zu stark. Ich wäre entführt worden oder vielleicht sogar dort gestorben.«
Torik krampfte seine Hände um die Lehnen des Sessels. Er wollte etwas sagen, aber seine Kiefer waren fest zusammengepresst, um die Vorstellung, dass Caitlin tot sein könnte, zu verdrängen.
Tränen schimmerten in ihren Augen. »Ich weiß nicht, wie ich Ihnen dafür danken kann.«
Torik räusperte sich. »Das müssen Sie nicht.« Er zwang sich zu einem Lächeln. »Außerdem haben Sie mir Pizza gebacken, das reicht völlig.«
Caitlin lachte durch ihre Tränen. »Mein Leben ist also eine Pizza wert? Gut zu wissen.«
»So meinte ich … «
Sie unterbrach ihn. »Ich weiß, es war nur ein schlechter Versuch, die Stimmung aufzuheitern.«
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