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Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter

Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter

Titel: Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: St John Greene
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Herausforderung, das war mir seit dem Augenblick klar, als Kate mir gesagt hatte, ich solle mir eine andere Frau suchen. Damals überstieg ihre Bitte alles Denkbare und machte mich sprachlos. Meine Frau lag im Sterben, aber sie würde immer meine Seelengefährtin bleiben. Wie sollte ich jemals eine andere Frau, eine andere Mutter für die Jungs finden?
    Ich richtete mich auf und blickte gedankenverloren hinaus aufs Rote Meer. Instinktiv griffen die Finger meiner rechten Hand an meine linke und tasteten dort nach dem Ringfinger. Im Laufe der Monate hatte ich es mir zur Angewohnheit gemacht, an dem Liebesknotenbändchen, das ich anstelle meines Eherings trug, herumzuspielen. Es war ein fast unbewusst ablaufendes Ritual, das ich, wie mir jetzt klar wurde, immer dann vollzog, wenn ich an Kate dachte, insbesondere wenn ich daran dachte, dass Kate mir aufgetragen hatte, eine andere Frau zu finden. Zu meiner Überraschung war dort, wo ich das Band zu spüren erwartete, nur noch eine weiche Mulde im Fleisch. Mehrere Minuten lang starrte ich fassungslos auf meine nackte Hand und versuchte mir angesichts der leeren, weißen Stelle an meinem Finger darüber klar zu werden, was aus meinem Ersatzehering geworden war.
    Das Bändchen hatte in letzter Zeit etwas fransig und dünn ausgesehen, offenbar war es gerissen und unbemerkt aufs Meer hinausgetrieben. Das hatte wohl so kommen müssen, jedenfalls hatte ich nichts unternommen, um die Fasern des Bands zu verstärken, nachdem ich die Verschleißerscheinungen bemerkt hatte. Zweifellos hatte es sich still und heimlich von mir verabschiedet, als ich mit den Jungs schnorcheln war und nur Augen für diese und ihre Bewunderung der Fische hatte.
    Ich war gerührt und ein wenig traurig, aber nicht entsetzt. Eine andere Frau zu finden schien mir jetzt auch nicht mehr gänzlich unvorstellbar zu sein, auch fühlte ich mich nicht unwohl dabei, es mir einzugestehen. Während mein Blick zum Horizont schweifte, überlegte ich, was wohl jenseits dieser schmalen Indigolinie lag, die das Meer vom Himmel trennte. Die Angst und die Mutlosigkeit, die ich in den Anfangsmonaten nach Kates Tod empfunden hatte, waren verschwunden. Ich war bereit, genauer hinzusehen und mich auf die Suche zu machen. Den ersten Schritt hatte ich bereits getan, und dieser hatte mich weiter gebracht, als mir womöglich selbst bewusst war, also sah ich erwartungsvoll in die Zukunft. Dass ich jemals eine andere Seelengefährtin fände, daran glaubte ich noch immer nicht, denn Kate war einfach nicht zu ersetzen. Doch zum ersten Mal seit langer Zeit konnte ich mir ein gutes Leben, vielleicht sogar ein wunderbares Leben jenseits von Verlust und Trauer und der zahllosen Meilensteine des Schmerzes vorstellen.
    Hätte es in meiner Macht gelegen, wäre ich zum Horizont gesprungen, hätte Meer und Himmel auseinandergestemmt und gleich jetzt einen Blick in meine neue Welt geworfen. Ich war dazu bereit. Vergessen würde ich Kate niemals, auch würde ich dafür sorgen, dass die Jungs sich so oft wie möglich an ihre Mum erinnerten. Aber es hatte eine Verschiebung stattgefunden und dies nicht erst an diesem Tag. Nach und nach hatte die Zeit mein wundes Herz geheilt. Sie hatte im Geheimen unter meiner Haut gearbeitet und still die Schnitte genäht und die Prellung gelindert. Es gab noch immer viel zu tun, aber die Wunden der Trauer waren nicht mehr offen und bluteten nicht mehr.
    Das war mein Sonnenschein nach dem stürmischen Regen. Das Schlimmste war vorbei, dessen war ich mir sicher. Jetzt schien tatsächlich die Sonne und Kate lächelte auf mich herab.

KAPITEL 11
»Bin sehr für einen Esstisch, an dem ihr
wenigstens einmal in der Woche als Familie
zusammen essen könnt«
    Wir haben Juli 2011, sieben Monate sind seit unserer Ägyptenreise vergangen. Die Umbauarbeiten sind endlich abgeschlossen, und morgen kommt unser neuer Esstisch. Ich sitze auf meinem Bett, wo ich gerade eine Einkaufsliste für Tesco zusammengestellt habe, weil ich heute Abend kochen werde. Die Jungs sind in der Schule, also habe ich den Tag für mich. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, mit dem letzten Kapitel meines Buches zu beginnen, und ich halte Rückschau anhand des diesjährigen Tagebuchs.
    Am 20. Januar 2011, als Kates Todestag sich zum ersten Mal jährte, musste Reef zu seiner Routineuntersuchung im Krankenhaus, um ihn darauf untersuchen zu lassen, wie es um die Tumor-Remission bestellt war. Beim Blick in mein Tagebuch möchte ich mich fast zwicken, wenn ich

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