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Gib mir deine Seele

Gib mir deine Seele

Titel: Gib mir deine Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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duldete.
    »Es ist mir peinlich, mich von dir aushalten zu lassen. Dafür habe ich doch meinen Kredit.«
    Nun seufzte er. »Mir macht es Spaß, schöne Dinge zu verschenken. Warum willst du mir den Gefallen nicht tun, sie anzunehmen?«
    Nicholas hatte etwas Ähnliches gesagt, und sie wollte diesen herrlichen Morgen nicht durch eine Missstimmung verderben.
    Insgeheim dachte sie, dass Henrys Anwesenheit in Barcelona ein Glücksfall war. Nicht nur hatte sie eine Freundin zur Seite, die sie bei diesem Abenteuer begleitete. Obendrein könnten sie auch zusammen einkaufen gehen und Constantin damit ausmanövrieren. Bei diesem Gedanken lächelte sie. Es würde nicht einfach werden, aber unglaublich viel Spaß machen.
    »Du weißt, dass es mir schwerfällt, dir einen Wunsch abzuschlagen, Constantin.«
    »Ist das so?« Sein Gesichtsausdruck ließ offen, ob er sie durchschaut hatte.
    »Ist es nicht das, was du von mir wünschst?« Mit einem hoffentlich bescheidenen Lächeln und weit geöffneten Augen sah sie ihn an und erntete ein wissendes Schmunzeln dafür.
    »Nachdem das geklärt ist«, sagte er, »können wir ja endlich etwas essen.«
    Pauline widmete sich ihrem Frühstück und verkündete zum Schluss: »Das war lecker. Ich glaube, ich muss einmal um den Globus laufen, um diese Kalorien wieder loszuwerden.«
    Constantin, der Telefonate geführt und gelesen hatte, während sie mit Würstchen, Obst und Pfannkuchen beschäftigt gewesen war, sah auf die Uhr an seinem Handgelenk. »Ich habe eine Weile zu tun«, sagte er beinahe entschuldigend. »Wenn du den Wagen nutzen willst, brauchst du nur Nicholas anzurufen.« Er reichte ihr einen Notizzettel. »Speichere die Nummer in deinem Handy. Oder noch besser: Lern sie auswendig. Egal, was passiert, es wird dir immer jemand antworten.«
    »Danke. Wenn ich nicht will, dass Elena mir den Hals umdreht, sollte ich mir als Erstes die Noten für Carmen kaufen, um meine Erinnerung aufzufrischen. Und das kann ich auch mit der Metro erledigen.«
    »Nein, das dauert zu lange. Ich muss ohnehin noch mit Nicholas sprechen und werde ihm sagen, dass er sie dir bringen lassen soll.«
    »Meinst du, ich kann hier im Hotel singen, oder schmeißen die uns dann raus?«
    »Natürlich nicht.« Constantin klang, als wäre ihm eine solche Frage niemals in den Sinn gekommen. Er stand auf und gab ihr einen Kuss, der, obwohl er nur gehaucht war, sofort das Feuer in ihr weckte.
    Als wüsste er genau, was er angerichtet hatte, wirkte seine Miene ausgesprochen zufrieden.
    Hoffentlich geht es ihm ebenso , dachte Pauline und sah sich nach einem geeigneten Platz für ihr Yogatraining um. Heute wollte sie wirklich nicht streiten, und wahrscheinlich würde Nicholas die Noten tatsächlich schneller besorgt haben, als es ihr in dieser ziemlich fremden Stadt möglich gewesen wäre. Sie öffnete die Terrassentüren, um frische Luft hereinzulassen. Draußen wehte eine kühle Brise, aber die Sonne schien und wärmte ihr Gesicht. Also zog sie einen der weichen Läufer an den geöffneten Durchgang, setzte sich und atmete ruhig durch die Nase ein und aus, um sich auf ihre Übungen einzustimmen.
    Sie begann mit einfachen Dehnungen, denn die Aktivitäten der vergangenen Nacht waren an ihrem Körper nicht spurlos vorübergegangen. Es dauerte nicht lange, bis sie die innere Balance wiederfand, die nach all den Aufregungen in Schieflage geraten war, und sie erreichte schließlich diesen eigentümlichen, beinahe tranceartigen Zustand, der ihr half, der Stimme einen größtmöglichen Freiraum zu geben.
    Anschließend blieb sie entspannt mit geschlossenen Augen sitzen und fühlte sich erneut in die Rolle der jungen Micaëla ein. Wie sie vom Lande in die Stadt gekommen war und dort ihren geliebten Don José vollkommen verändert vorgefunden hatte.
    Pauline hatte die gesamte Partie im letzten Jahr sehr häufig auf einer Bühne gesungen und kannte noch immer jeden ihrer Schritte beinahe im Schlaf. Der damalige Regisseur hatte ihr wenig Freiraum gelassen, und so war sie blass geblieben, kaum bemerkt vom Publikum neben der grellbunt zurechtgemachten Carmen. Im Wettbewerb der Jungen Stimmen hatte sie alle mit ihrem Ausdruck und ihrem Gesang überrascht. Vielleicht würde sie in dieser Inszenierung des Teatre del Liceu mehr Möglichkeiten bekommen, ihr gesamtes Können zu zeigen.
    Konzentriert rief sie sich ihre Rolle und Elenas Anmerkungen dazu ins Gedächtnis zurück. Die junge Micaëla war eine Waise, die unter dem Schutz von Don Josés

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