Gib mir deine Seele
aussehen. »Eier, Speck und Würstchen«, sagte sie und freute sich an Constantins Gesichtsausdruck. »Was? Ich bin gestern unter dem Meer durchgefahren, habe meine Seele verpfändet, eine Folterkammer besucht und vor Landsleuten Sex gehabt. Ich weiß nicht, wie es dir dabei ginge, ich jedenfalls brauche eine zünftige Stärkung.«
»Wie Madame wünschen«, sagte er und verbeugte sich. »Der Küchenchef wird dich lieben.«
Erleichtert nahm sie wahr, dass die morgendlichen Anrufe auf ihrer Mailbox von ihrer Agentur stammten. Dass es so früh auch nicht mehr war, verriet ihr das Handy: Fünf Minuten vor zwölf konnte getrost als Mittagszeit durchgehen. Kein Wunder, dass sie solchen Hunger hatte.
Marcella war sofort am Apparat, als Pauline die Rückruftaste drückte.
Bisher hatte sie ihre Agentin als kühle, kontrollierte Person kennengelernt. Nun aber sprudelten die Sätze nur so aus ihr heraus. Als sie geendet hatte, war immerhin so viel klar: Pauline sollte nach ihrem großartigen Auftritt als Micaëla in München die gesamte Partie dieser Figur in Verdis Carmen in Barcelona singen.
Es war eine Wiederaufnahme. Die Inszenierung hatte vor drei Jahren am dortigen Gran Teatre del Liceu Premiere gehabt, und ein Teil der Besetzung würde auch dieses Mal wieder mit von der Partie sein. Es war bekannt, dass Pauline schon während ihres Festengagements in der Rolle der Micaëla aufgetreten war. Doch eine Inszenierung wie diese war nicht zu vergleichen mit der Aufführung eines Provinztheaters, und weil man sich darüber hinaus ihrer Fähigkeiten nicht sicher war, sollte sie sofort anreisen, um von Anfang an bei allen Proben dabei sein zu können.
»Das ist deine Chance!«, beschwor die Agentin sie. »Jonathan Tailor singt den Don José.«
»Ja! Natürlich mache ich das. Ja. JA!«, schrie Pauline. »Weiß Elena Corliss schon davon?«
Sie wusste, dass es eine Verbindung zwischen der Agentur und ihrer Gesangslehrerin gab. Um die Partie auf höchstem Niveau vorzubereiten, würde sie Elenas Hilfe benötigen.
»Ich hätte sie so gern als Coach.«
»Wir sind dran«, versprach Marcella. »Wenn du zusagst, müsstest du Montag anreisen. Sie stellen dir ein Apartment zur Verfügung. Ehrlich gesagt ist das unglaublich. Obwohl ich noch nicht alle Bedingungen kenne, würde ich behaupten: Das ist die Chance deines Lebens!«
Nachdem sie das Gespräch beendet hatte, sah Pauline sekundenlang regungslos auf das Telefon in ihrer Hand. Jonathan Tailor gehörte derzeit zu den besten Tenören weltweit. Er sang nicht nur großartig, er war auch ein begnadeter Darsteller.
Das Beste aber war Barcelona! Zusammen mit Henry. Ein Traum wurde wahr. Doch was würde Constantin dazu sagen?
Ein dringendes Bedürfnis zwang sie, ins Bad zu gehen, und als sie ihre Morgentoilette beendet hatte und das Schlafzimmer verließ, war das Frühstück bereits serviert.
Constantin legte seine Zeitung beiseite und stand auf, um Pauline mit einem Kuss zu begrüßen. »Gute Neuigkeiten?«, fragte er beiläufig, nachdem sie sich gesetzt hatten.
»Ich kann es noch gar nicht glauben. Ich habe einen Job. Einen richtigen Job!« Aufgeregt erzählte sie ihm von dem Telefonat. »Meine Muse muss es wirklich gut mit mir meinen. Ausgerechnet Barcelona, und Henry ist auch da!«
Durchdringend sah er sie an, und für einen winzigen Augenblick hatte sie Angst, dass es ihm nicht gefiel. Doch dann kam mit seinem warmen Lächeln die Erleichterung.
Constantin griff nach ihrer Hand. »Herzlichen Glückwunsch, Pauline. Das sind großartige Neuigkeiten. Wann geht es los?«
»Marcella schickt mir nachher alle Infos per Mail. Sie sagt, ich soll am Montag vor Ort sein.« Dann fiel ihr etwas ein. »Du lieber Himmel, ich muss zurück nach London und packen.« Der Gedanke stimmte sie traurig. Es war so schön, endlich mit Constantin zusammen zu sein. »Würdest du …«, setzte sie zu sprechen an. »Könntest du dir vorstellen, mich in Spanien zu besuchen?«
»Nein …«
Erschrocken entzog sie ihm ihre Hand. »Warum nicht? Das Engagement verstößt nicht gegen unsere Vereinbarung. Constantin, ich kann ohne Musik nicht leben!« Worauf habe ich mich eingelassen?
»Lass mich doch erst einmal ausreden«, sagte er. »Zufällig mag ich Barcelona sehr gern. Ich habe dort kürzlich eine Wohnung gekauft, die ich eigentlich vermieten wollte. Aber jetzt …«
»Du meinst, wir könnten dort gemeinsam wohnen?« Ihr Herz machte einen Hopser und erinnerte sie daran, dass sie heute ihre Tabletten
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