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Gib mir deine Seele

Gib mir deine Seele

Titel: Gib mir deine Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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Ausschnitt eine Spur dezenter, und ein weißes Blüschen mit kurzen Ärmeln lugte hervor. Dank des raffiniert geschnittenen Rocks würde jedoch reichlich Bein zu sehen sein.
    Als Einzige sollte sie Schuhe und Strümpfe tragen. Letztere schwarz und mit Haltern befestigt. Das war kein sittsames Mädchen vom Lande, das war eine Lolita.
    »Ich muss doch nicht etwa den Rock so weit anheben, dass man sieht, was ich darunter trage?« Verwundert überlegte sie, in welcher Szene ein solch befremdliches Verhalten unterzubringen wäre.
    »Ob man es nun zeigt oder nicht, die Idee dahinter ist wohl klar: Unter der wohlanständigen Hülle verbirgt sich ein sinnliches Geschöpf. Aber wenn es Sie beruhigt, dann kann ich Ihnen sagen, dass Ihre Figur einwandfrei zur Geltung kommen wird. Sie sollten immer Korsett tragen.« Sie legte die Entwürfe zurück in die Schublade.
    »Solange ich darin atmen kann, habe ich nichts dagegen.« Der Vorschlag klang verlockend. Selbst bei der Weihnachtsfeier hatte sie sich nach einer Eingewöhnungsphase in ihrem Kostüm wohlgefühlt, das eigentlich nur aus einem Korsett bestanden hatte.
    »Kritiker sind überwiegend Männer. Vergessen Sie das nicht!« Die Gewandmeisterin nickte ihr zu, und damit war Pauline für dieses Mal entlassen.
    Im nächsten Raum herrschte die Maskenbildnerin. Eine rundliche Person, die sie entsetzt anstarrte. »Man hat mir gesagt, Sie wären Engländerin. Sie brauchen eine Perücke.«
    In ihrer Vorstellung waren Engländer offenbar alle mit hellem Haar gesegnet. Damit allerdings konnte Pauline nicht dienen.
    »Sie sind blass. Wie wäre es mit ein paar Stunden am Strand?«
    »Da werde ich eher rot«, sagte Pauline bedauernd.
    »Um Himmels willen, bloß das nicht!« Die Frau sah sie nachdenklich an, dann hellte sich ihre Miene auf. »Airbrush. Sie gehen einfach kurz vor der Aufführung in eines dieser Studios und lassen sich anmalen. Oder die Kostümmaler könnten auch … ach, nein. Lieber nicht. Was meinen Sie?«
    »Ich denke darüber nach.« Sobald es möglich war, floh Pauline entsetzt aus der Maskenbildnerei und verließ das Theater.
    Sie hatte gerade die Rambla dels Caputxins betreten, als sie den Vibrationsalarm ihres Handys spürte. Nach dem Meeting hatte sie es nicht umgestellt und kramte nun hektisch in der Tasche, um nachzusehen, ob ihr wichtige Nachrichten entgangen waren.
    Tante Marguerite und Henry wollten wissen, wie ihr erster Tag verlaufen war. Janice schrieb etwas von einem fetten Fisch, den sie an der Angel hätte, und David kündigte an, er habe demnächst ein Shooting auf Mallorca und käme zuvor nach Barcelona, weil es dort die heißesten Frauen im Mittelmeerraum gäbe.
    Constantin hatte sich nicht gemeldet. Gerade wollte sie das Handy wieder einstecken, da brummte es erneut. Sieh nach links, las sie auf dem Display.
    »Constantin«, flüsterte sie.
    Da stand er. Eine Hand in der Hosentasche, lässig, als wäre er zufällig vorbeigekommen. Unnahbar. Doch als sie ihn erreicht hatte, beugte er sich zu ihr herab und gab ihr einen schnellen Kuss. »Ist es gut gelaufen?«
    »Alle sind sehr nett«, sagte sie. »Noch. Das wird sich bestimmt bald ändern, aber die Begrüßung war freundlich. Außerdem habe ich mir die Apartments angesehen.«
    »Und?«
    »Nun, wie soll ich sagen? Praktisch und sauber.«
    Constantin lachte. »Mit anderen Worten: hässlich.« Doch dann blickte er ernst. »Möchtest du lieber woanders wohnen?«
    Nun wäre der richtige Augenblick zu sagen, dass ihr seine Wohnung und ihre Lage mitten im Gotischen Viertel gefiel – dass sie lieber bei ihm bliebe. »Deine Wohnung gefällt mir besser.« So ausgesprochen klang es weniger selbstbewusst, als sie gehofft hatte. »Andererseits«, schob sie deshalb schnell nach, »wird es bestimmt ein Riesenspaß, mit Henry die Stadt unsicher zu machen.« Aufmerksam betrachtete sie seine Miene und hätte schwören können, dass ihm die Vorstellung nicht gefiel, wie sie mit ihrer Freundin abends durch die Tapas-Bars und Clubs streifte.
    Als ob ich das tun würde. In London war sie selten ausgegangen. Doch die warme Luft, der Sonnenschein am Tag und das besondere Flair, das über dieser Stadt am Mittelmeer hing, konnten das durchaus ändern. Es war eben ein Unterschied, ob man mit dem Regenschirm in der Hand zu einem Club lief und trotzdem wie ein nasser Hund aussah, wenn man endlich angekommen war, oder ob man am Abend noch die Sonnenwärme in den Mauern spürte, während sich die Stadt auf eine aufregende Nacht

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