Gib mir deine Seele
nicht ausmalen, was dann geschähe.
Sie zog ihr Handy hervor und tippte eine Nachricht. Du fehlst mir. Es schien ihr, als könnte sie seine dunkle Stimme hören, während sie seine postwendende Antwort las: Du fehlst mir auch, ma petite!
Am liebsten hätte sie ihn angerufen, aber sie traute ihrer Stimme nicht. Er würde vielleicht merken, dass sie aufgewühlt war, und nachfragen. Was hätte sie dann sagen sollen? Immerhin hatte sie versprochen, nichts von Bedeutung vor ihm geheim zu halten. Dieses von Bedeutung war es, das ihr die Freiheit ließ, auch von Davids Besuch erst später zu berichten. Idealerweise, wenn der schon vorüber war und Constantin nichts mehr dagegen unternehmen konnte.
Nach ein paar Minuten, in denen sie die Augen schloss und tief atmete, hatte sie sich einigermaßen gefasst und trug die Tüte mit den erotischen Einkäufen in ihr Zimmer, um sie im Schrank zu verstecken. Schließlich sollte es eine Überraschung für Constantin werden. Anschließend sah sie nach der Katze, die zusammengerollt in der Sonne auf einem der Balkonstühle lag und sie verschlafen anblinzelte. Die Futterschale war zumindest zur Hälfte geleert, und Pauline holte eine neue Portion und frisches Wasser, in das sie eine Prise des Stärkungsmittels gab.
»Bis bald, Choupette.« Sie strich der Katze über den Kopf, kraulte sie hinter den Ohren und zwang sich, nicht aufzusehen, als sie die Bewegung hinter dem Fenster sah, in dem der Mann gestanden hatte, um sie und Constantin beim Sex zu beobachten. Was an jenem Tag eine gute Idee gewesen zu sein schien, fand sie im Nachhinein nur noch peinlich.
Hoffentlich begegne ich dem niemals auf der Straße! Schnell ging sie hinein, schloss die Balkontüren und verließ die Wohnung mit einem letzten bedauernden Blick. Nicht der Luxus war es, es war die ungewöhnliche Atmosphäre, die ihr das Gefühl gab, etwas Kostbares zurückzulassen. Schon jetzt wusste Pauline, dass sie diese Wohnung vermissen würde, wenn ihr Engagement in Barcelona beendet wäre und sie in eine andere Stadt, an ein anderes Opernhaus weiterzöge.
Nicholas wartete in seiner offenen Wohnungstür auf sie. Er steckte den Schlüssel in die Tasche und fragte: »Alles in Ordnung?«
Nichts war in Ordnung. Da er aber so tat, als hätte es den Kuss niemals gegeben, bemühte auch sie sich, den Zwischenfall zu vergessen. »Choupette scheint es besser zu gehen.« Unsicher lächelte sie ihn an.
»Gut. Henry hat sich gemeldet. Sie wird ein bisschen später kommen. Wir sollen schon mal anfangen … was auch immer sie damit meint.« Vollkommen unbefangen lachte er und sprang, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinunter.
Pauline folgte ihm beklommen. In der letzten halben Stunde hatte sie keine Sekunde an Henry gedacht und daran, wie ihre beste Freundin es wohl finden würde, wüsste sie, dass ihr Nicky Pauline durchaus engagiert geküsst hatte.
Im Café Onze, das seinen Namen der Adresse zu verdanken hatte, wie man an der übergroßen Hausnummer am Eingang sehen konnte, überlies sie es Nicholas, einen Tisch auszusuchen. Er erkundigte sich nach ihren Wünschen, um dann an der Bar eine Bestellung aufzugeben und mit der Kellnerin zu flirten, bevor er zu Pauline zurückkehrte.
»Man kennt dich offenbar.«
»Ja, normalerweise frühstücke ich hier. Warum fragst du?«
Mit einem beredten Blick sah sie zur Theke, von wo aus ihr die junge Frau einen neugierigen Blick zuwarf.
»Verstehe.«
Er legte ihr eine Hand auf den Arm und sagte leise: »Sie wollte wissen, ob du meine Freundin bist. Ich habe ihr gesagt, du seist schon vergeben.«
Es dauerte einen Augenblick, bis Pauline verstand. »Du meinst, sie interessiert sich für mich ?«
»Hältst du das für so ungewöhnlich?« Nicholas lachte, und dankbar für den leichten Ton, den er anschlug, fiel Pauline ein. Es war zweifellos unglücklich, dass David in diesem Augenblick durch die Tür kam. Seine Augen wurden schmal, als er die Szene erfasste, und eine scharfe Linie erschien rechts und links seiner Mundwinkel.
»Ich hoffe, ich störe nicht?«, fragte er Sekunden später missbilligend und setzte sich.
Mit vorbildlicher Beherrschung, wie sie fand, gelang es Pauline, die Augen nicht himmelwärts zu verdrehen. »Deinetwegen sind wir doch hier.«
Sie beugte sich vor und gab ihm einen Kuss auf die Wange, was zwar dazu führte, dass er ihr Lächeln erwiderte, aber Nicholas dazu verleitete, ein recht abfällig klingendes Geräusch von sich zu geben.
»David!«,
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