Gib mir deine Seele
Füße, aber wenigstens nicht zu klein. Das wäre eine schöne Pleite gewesen, wenn sie jetzt nicht gepasst hätten.
Damit überrage ich David garantiert um einen halben Kopf. Der Gedanke war ihr nicht unangenehm. Geschieht ihm recht!
Neugierig drehte sie sich vor dem Doppelspiegel, in dem man sich von allen Seiten betrachten konnte. Eigentlich hatte sie die Haare lang tragen wollen. Doch dieses Kostüm war auch so schon aufreizend genug, also ließ sie ihre Frisur, wie sie war.
Wer sie von vorn sah, könnte glauben, sie trüge ein zu kurz geratenes Etuikleid. Zumal man nicht bei jeder Beleuchtung sofort sah, dass es aus Leder war. Sobald sie sich jedoch bewegte, blitzte die Spitze ihrer schwarzen Strümpfe vor. Hinsetzen würde sie sich also nicht können. Jedenfalls nicht, ohne zu viel von sich preiszugeben.
Constantin würde ganz sicher nicht mögen, was sie hier tat. Aber jetzt war es zu spät. Pauline lächelte sich selbst aufmuntern zu und verließ hoch erhobenen Hauptes die Garderobe.
David wartete vor der Tür. Er wirkte unruhig und schien zu frieren. Kein Wunder, denn zu einer schwarzen Lederhose trug er nur eine Art Geschirr, ebenfalls schwarz und mit Nieten und Ösen verziert. Um den Hals hatte er sich ein Halsband gelegt, die Leine dazu hielt er in der Hand. David hatte keine schlechte Figur, aber er war nicht sonderlich sportlich. Ein Vergleich mit Nicholas’ oder Constantins sonnengeküssten Körpern allerdings wäre nicht einmal dann zu seinen Gunsten ausgefallen, wäre er trainierter gewesen.
Sein Mienenspiel war unbezahlbar, denn der angespannte Gesichtsausdruck wich von einem Augenblick zum anderen einem staunenden. Der offene Mund ließ ihn ein wenig dumm aussehen.
Sei nicht so gemein , ermahnte sich Pauline und fragte sich gleichzeitig, warum er so überrascht reagierte. Schließlich hatte er sie schon in wesentlich schrägeren Klamotten fotografiert. Aber Fotografen betrachteten ihre Motive eben immer durch den Sucher einer Kamera, und jetzt stand sie ohne schützende Technik live und in Farbe vor ihm. Gut, farbig war an ihr wohl nur der knallrote Lippenstift. Alles andere war mehr oder weniger schwarz, beziehungsweise alabasterweiß.
»Du siehst großartig aus! Ich wünschte, ich hätte meine Kamera dabei«, sagte er und drückte ihr schnell die Leine in die Hand.
Pauline dagegen war froh, dass Fotografieren hier nicht erwünscht war, wie sie einem großen Verbotsschild entnahm, das direkt hinter ihm an der Wand hing und auch schon in der Garderobe zu lesen gewesen war.
Sie nahm die Leine, ignorierte seine Verlegenheit – schließlich gab es nichts zu lachen, bloß weil jemand seine devote Veranlagung offenbarte – und ging so stolz wie möglich den langen Gang hinunter, bis sich ihnen die Türen zum Club öffneten.
»Pauline, du bist eine Göttin. Wie kannst du dich einem so ungehobelten Barbaren unterwerfen?«
»Halt den Mund!« Ärgerlich ruckte sie fester an der Leine, als es gut gewesen wäre.
David wollte schlecht behandelt werden? Bitte schön, das kannst du haben!
Nachdem sie sich kurz umgesehen hatte, atmete sie erleichtert auf. Die sexuell aufgeheizte und unterschwellig bedrohliche Atmosphäre, die sie in dem Pariser Club gespürt hatte, fehlte hier vollkommen.
Im Chardonnay hatten sich Leute zusammengefunden, die Spaß an ungewöhnlichem Aussehen und Musik jenseits des Mainstream hatten. Gothics, bunt gekleidete Modestudenten, Szenetypen – höchstens ein Viertel davon Fetischliebhaber. Ein behaarter Tänzer im Tutu schwebte vorbei und zwinkerte ihr dabei zu. Zwei ältere Männer, offensichtlich Bodybuilder, einer von ihnen halb nackt, schlenderten Hand in Hand zur Bar, wo bereits eine auffällig tätowierte Nymphe saß und sie überschwänglich begrüßte. Nichts also, was Pauline nicht auch schon aus London kannte.
David neben ihr schien sich angeleint weniger wohlzufühlen. Jedenfalls stand er einfach nur mit gesenktem Kopf da, was sie nicht wenig irritierte. Anscheinend lag die Verantwortung nun bei ihr. Als sie erneut ihren Blick durch den dunklen Raum schweifen ließ, sah sie, dass ihr die Zwillinge zuwinkten, und weil sie sonst niemanden kannte, folgte sie der Aufforderung. Ein stummer David in ihrem Schlepptau.
»Du bist also Patricia«, begrüßte sie ein leicht übergewichtiger Mann mit gefärbtem Haar. Er gab sich als Torero und streckte die Hand aus, als wollte er sie am Kinn fassen. Ohne zu überlegen, fauchte Pauline »Vorsicht!«, und imitierte
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