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Gib mir deine Seele

Gib mir deine Seele

Titel: Gib mir deine Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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Zeit ist kostbar, und das ist das Mindeste, was ich tun kann, um mich zu revanchieren.«
    Nach anfänglichem Zögern hatte sie eingewilligt und dieses Café als Treffpunkt vorgeschlagen. »Vor einer Audition kann ich nichts essen, und dort gibt es die leckersten Dal-Gerichte der Stadt. Und danach …« Sie hatte verschmitzt gelächelt und gesagt, er müsse sich überraschen lassen.
    Überraschungen waren so ziemlich das Letzte, was ihm Freude bereitete. Doch das konnte sie nicht wissen, und deshalb hatte er eingewilligt. Er stellte fest, dass er sich darauf freute, den restlichen Tag mit ihr zu verbringen.

3 London – Über der Stadt
    Wie eine Nebelkrähe habe ich geklungen. Pauline machte sich nicht die Mühe, Kleid und Schuhe einzupacken. Sie pfefferte alles in den Papierkorb der kahlen Gemeinschaftsgarderobe, wickelte sich ihren Schal um den Hals und verließ mit schnellen Schritten den Ort ihrer Schmach. Wahrscheinlich , dachte sie, habe ich auch wie eine ausgesehen. Janice und Henry hatten recht. Egal, wie schön eine Stimme klang, die Hülle musste genauso passen. Und sie hatte nicht einmal annähernd passabel gesungen, von ihrem Aussehen ganz zu schweigen. Die Schuhe drückten, das Kleid war hässlich und hatte zudem ihre Haare elektrisch aufgeladen, sodass ihr nichts anderes übriggeblieben war, als sich diese dämliche Gretchenfrisur zu machen, wenn sie nicht wie jemand aussehen wollte, der gerade einen milden Stromschlag bekommen hatte.
    Obwohl es niemand zu bemerken schien, auf ihre Art versuchte sie, gegen familiäre Konventionen aufzubegehren. Tante Jillian, bei der sie nach dem Tod ihrer Mutter aufgewachsen war, hatte ihren Modegeschmack aus dem indischen Poona mitgebracht, wo sie fünf Jahre lang unter Palmen »gekifft und gevögelt« hatte, wie sie selbst gern zu fortgeschrittener Stunde erzählte. Jills langjährige Lebensgefährtin Marguerite war mit der Punkbewegung nach London gespült worden. Flächendeckend tätowiert, liebte sie jedes ihrer Piercings. Sollte es tatsächlich ein Kleidungsstück in ihrem Schrank geben, das nicht schwarz war, dann lag es daran, dass sich die Farbe mit der Zeit ausgewaschen hatte.
    Mit den üblichen Methoden jugendlichen Aufbegehrens konnte Pauline diese Frauen nicht beeindrucken, aber sobald Marguerite nur Worte wie Bluse, Tweed oder Perlenkette hörte, verdrehte sie schon die Augen und fragte: »Wie kannst du dich nur so entstellen?«
    Insgeheim hatte Pauline ihre rebellische Phase längst hinter sich gebracht, aber ihr fehlte die Leichtigkeit, mit der Henry beispielsweise selbstgenähte Kleider und Secondhand-Klamotten mit wenigen Accessoires zu einem Modeerlebnis machen konnte. Sogar Janice, die ähnlich bescheiden aufgewachsen war wie Pauline, verstand es, billige Mode von der Stange irgendwie wertvoll aussehen zu lassen. Genau dieses Talent wünschte sich Pauline mal wieder, als sie von der Speisekarte aufsah und Constantin erkannte, der sich suchend umblickte.
    Vielleicht übersieht er mich und geht wieder , dachte sie hoffnungsvoll. Es war ein Fehler gewesen, sich erneut mit ihm zu verabreden. Sie hätte wissen müssen, wie angeschlagen sie nach einer Audition sein konnte. Dass es allerdings so schlimm werden würde, hatte sie nicht gedacht.
    Doch nun war es zu spät. Er hatte sie entdeckt und kam mit einem Lächeln auf den Lippen zu ihr. Weil sie sich in die hinterste Ecke zurückgezogen hatte – was ihrem Seelenzustand bestens entsprach –, hatte sie Gelegenheit, ihn ausgiebig zu betrachten.
    Gestern hatte Constantin, wie schon in Venedig, mit Anzug und Krawatte nach einem erfolgreichen Business-Mann ausgesehen. Heute wirkte er lässiger, trug einen Pullover unter Jackett und Mantel, weniger elegante Schuhe und sah trotzdem aus, als wäre er geradewegs einem Männermode-Journal entstiegen.
    »Hallo!«, begrüßte er sie und blieb abwartend stehen.
    Erstaunt sah sie zu ihm auf, bis sie begriff, dass er auf eine Einladung wartete, sich zu ihr setzen zu dürfen. »Entschuldige. Nimm doch bitte Platz.«
    »Danke.«
    Solche Umgangsformen war sie nicht gewohnt. Überhaupt war alles an ihm so anders. Was hatte sie sich nur dabei gedacht einzuwilligen, seine Fremdenführerin zu spielen?
    »Die brauche ich nicht«, lehnte er die Speisekarte ab, die ihm die Kellnerin reichen wollte.
    »Was trinkst du, Pauline?«
    »Wasser, bitte.«
    »Dann nehmen wir eine große Flasche stilles Mineralwasser und zweimal das Gemüsecurry.« Er wies auf die Angebotstafel an der

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