Gib mir deine Seele
Wand. »Oder möchtest du etwas anderes?« Sie will nach ihren Wünschen gefragt werden , erinnerte er sich ein wenig verspätet.
Pauline schüttelt den Kopf, die Kellnerin verschwand, und sie sah ihr wortlos nach. Offensichtlich war es an ihm, eine Unterhaltung zu beginnen.
»Wie ist das Vorsingen gelaufen?«, fragte Constantin schließlich, obwohl er wusste, dass dies nicht die geschickteste Gesprächseröffnung war. Aber wie hätte er nicht fragen können, wenn es sie doch so augenscheinlich bedrückte?
»Nicht so gut«, sagte sie leise und vermied es, ihn anzusehen.
»Was ist geschehen?« Gespannt wartete er auf ihre Erklärung für das Desaster.
»Zu Hause war noch alles in Ordnung. Im Theater bin ich dann nach dem Aufwärmen meine Stimmübungen durchgegangen, und dabei habe ich schon gemerkt, dass es wieder passiert. Ich kriege einfach die hohen Töne nicht hin, und mein Vibrato …« Sie zog ein Taschentuch heraus. »Meine Gesangslehrerin sagt immer, dass irgendwo in mir die echte Stimme ist. Aber ich finde sie nicht. Es ist zum Heulen.«
»Warum willst du dann überhaupt singen?« Die Frage klang auch ohne den Zusatz wenn du es nicht zu können glaubst herzlos genug. Also schluckte er ihn hinunter – er wollte sie schließlich nicht verletzen, sondern wissen, was sie antrieb.
»Weil ich genau weiß, dass ich es kann. Früher ging’s doch auch. Ich habe im Chor gesungen, und es hat mir riesig Spaß gemacht. Marguerite, das ist die Freundin meiner Tante, hat mir das Klavierspielen beigebracht. Nicht dass ich je so gut werden würde wie sie.« Sie merkte offenbar, dass sie abschweifte, und sah ihn entschuldigend an, bevor sie weitersprach. »Marguerite mag vom Singen keine allzu große Ahnung haben, aber sie hört wie ein Luchs. Wenn sie sagt, dass ein Ton sitzt, dann tut er das auch. Sie hat mich immer darin bestärkt, meinen Traum zu verwirklichen. Aber als ich das letzte Mal zu Hause war, da war sie entsetzt. Sie hat gesagt, in meiner Stimme ist etwas zerbrochen.« Eine dicke Träne rollte ihr übers Gesicht, und das Taschentuch kam wieder zum Einsatz. »Es tut mir leid, ich wollte nicht …«
Constantin hatte genug gehört. Paulines Gesangslehrerin verstand offenbar nichts von ihrem Job. Wahrscheinlich war sie es, die ihr vollkommen falsche Techniken beigebracht hatte. Es gab zu viele Lehrer, die glaubten, nur nach einer Methode unterrichten zu müssen. Stimmen waren so einzigartig wie Fingerabdrücke und mussten individuell gefördert und trainiert werden. Das Beharren auf einen Königsweg grenzte seiner Meinung nach an Körperverletzung. Schlimmstenfalls ruinierte es eine aussichtsreiche Karriere, bevor sie überhaupt begonnen hatte.
»Ich bin kein Fachmann, aber ich kenne eine Frau, die dir vielleicht helfen kann. Würdest du mir den Gefallen tun und mit ihr sprechen?«
»Ich weiß nicht, eigentlich ist meine Lehrerin gut. Janice, das ist eine Freundin von mir, hat sie sehr geholfen.«
Die Kellnerin brachte die Getränke und das Essen, und sie sprachen nicht weiter, bis sie wieder gegangen war. Pauline schien unterdessen einen Entschluss gefasst zu haben. »In Ordnung, ich rede mit ihr. Wer ist es?«
»Eine Freundin. Elena unterrichtet auch Gesang, und sie ist gut darin.«
Den vollständigen Namen wollte er ihr nicht verraten. Die Gefahr war zu groß, dass sie Elenas Ruf kannte oder ihn vor der ersten Stunde herausfand und sich dann weigern würde, zu ihr zu gehen. Die Corliss würde natürlich einen Schreikrampf bekommen, wenn er sie in sein Hotel einbestellte. Aber sie war ihm noch einen Gefallen schuldig, und der Zeitpunkt war gekommen, ihn einzufordern.
Ein Schmunzeln huschte über Paulines Gesicht und erhellte es wie ein Sonnenstrahl. »Wenn du mir ihren Namen nicht verrätst, werde ich den Weg zu ihr nicht finden.«
»Sie ist viel unterwegs. Ich sage dir Bescheid, sobald ich einen Termin vereinbart habe. Und jetzt lass uns essen, dieses Gemüsecurry riecht sehr appetitlich.«
Pauline probierte vorsichtig, und ihre Augen begannen zu leuchten. »Mhm! Es ist köstlich.« Und dann machte sie sich mit einer Begeisterung über das schlichte Gericht her, dass es eine Freude war, ihr zuzusehen. Constantin war es so leid, Frauen gegenüberzusitzen, die den gesamten Abend nur ein Salatblatt von rechts nach links schoben. Elena musste einfach herausfinden, was mit ihr nicht stimmte.
»Und jetzt?« Constantin hatte die Rechnung beglichen, was Pauline anfangs nicht annehmen wollte, bis er sie
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