Gib mir deine Seele
hielt und ein wenig überraschend vor Pauline auf die Knie fiel – den Plumpudding immer noch auf einer Hand balancierend.
»Nimm diese Speise als Zeichen meiner Reue«, deklamierte er.
Henry verdrehte die Augen, und Pauline bemühte sich, ein Kichern zu unterdrücken. »Es sei euch verziehen, Knappe.« Huldvoll nahm sie ihm den Kuchen ab. »Den hast du doch nicht selbst gebacken?«
»Von Selfridges«, gab er zu.
»Dein Glück.«
David hatte im letzten Jahr ein Weihnachtsessen vorbereitet, und mehr als der Hälfte seiner Gäste war anschließend dermaßen übel gewesen, dass die Party vorzeitig ein jähes Ende genommen hatte.
Henry drohte ihm mit dem Zeigefinger. »Der Ablass soll dir gewährt sein. Unter einer Bedingung …«
»Ja?«
»Du schwörst, dass der Champagner, den ich in deiner Einkaufstüte draußen im Flur gesehen habe, für uns ist.«
David sprang auf. »Na klar! Gestern sind wir nicht dazu gekommen anzustoßen. Das wollte ich heute nachholen. Pauline, Henry weiß es ja schon: Ich habe den Auftrag bekommen, eine Modestrecke für das i-D Magazine zu shooten .«
»Wirklich? Das ist ja wunderbar. Lass uns feiern!« Pauline lächelte ihn an und holte ein Messer aus der Schublade, mit dem sie den Kuchen zerteilen wollte. Dann stimmte es also. Sie freute sich für ihn. David hatte hart gearbeitet für diesen Erfolg.
Nachdem er ihr ein Glas gereicht hatte, fiel sein Blick auf die Orchidee. »Bemerkenswert. Die Blüten haben exakt dieselbe Farbe wie deine Augen.«
Henry nickte. »Hundertprozentig. Mensch, hast du ein Glück.« Zu David sagte sie erklärend: »Die Blumen hat sie heute von ihrem Freund bekommen.«
»Sie sind nicht …«, David klang wenig begeistert, »etwa von dem Verrückten, der gestern …?«
»Constantin ist nicht verrückt. Und jetzt lasst uns endlich anstoßen.«
Pauline leerte ihr Glas in einem Zug. Die Tabletten würde sie eben später nehmen. Gegen ein Glas Sekt oder einen guten Wein zum Essen hatte sie noch nie etwas einzuwenden gehabt, schließlich war sie bei einer Französin aufgewachsen. Unglücklicherweise vertrug sich Marguerites Lebensart nicht mit den Medikamenten, und deshalb hielt sie sich normalerweise zurück.
Eine knappe Woche später war zwar Paulines Konto nicht mehr komplett leer – das Theater hatte die Gage und den Bonus ausgezahlt –, und auch ihr Gesäß war schmerzfrei, aber ihre Geduld befand sich auf dem Weg zu einem unrühmlichen Ende.
Ich rufe dich an , hatte er versprochen. Bisher hatte sie jedoch nichts von Constantin gehört, und Nicholas hielt sich ebenso bedeckt. Deshalb war nicht nur Paulines Laune inzwischen auf dem Nullpunkt angelangt, auch Henry wirkte zusehends nervöser. Die Freundinnen gingen sich in der kleinen Wohnung möglichst aus dem Weg, wie zwei eifersüchtige Katzen, die ahnten, dass es bei der nächsten Begegnung krachen würde.
Die Gesangsstunde bei ihrer bisherigen Lehrerin sagte Pauline ab, erleichtert, nur den Anrufbeantworter erreicht zu haben. Sonntags war dies allerdings keine große Überraschung, weil die ehemalige Soubrette im Kirchenchor sang. Ihre Stimmübungen machte sie jedoch gewissenhaft, genau so, wie die Corliss es von ihr verlangt hatte. Außerdem ging sie jeden Tag schwimmen und widmete sich ihren Yogaübungen, die sie in den letzten Wochen etwas vernachlässigt hatte.
Und so war ihre Stimmung am Silvestertag gar nicht so schlecht, wie man es hätte vermuten können. Pauline war ausgeschlafen, und obendrein lagen drei Liebesromane aus der Bibliothek auf ihrem Nachttisch, im vierten las sie gerade. Ein Glücksfall, denn während solche Schmöker meistens vergriffen waren, schien sich die Sehnsucht nach Romantik zwischen den Jahren in Grenzen zu halten.
Derart ausgestattet verkündete sie: »Ich bleibe dieses Jahr zu Hause.«
»Echt?« Henry blickte von ihrem Kartendeck auf. Zum Jahresende, behauptete sie, könne man am besten herausfinden, wie gut die Chancen auf ein erfülltes Liebesleben stünden.
»Vielleicht gehe ich später noch rüber in den Lion, aber eigentlich habe ich keine Lust auf Partys … oder Männer.« Pauline hob ihr Buch hoch. Der stämmige Kerl mit Löwenmähne, der auf dem Cover abgebildet war, beugte sich über seine zierliche Partnerin und sah aus, als wollte er ihr im nächsten Augenblick die Reißzähne in die entblößte Schulter stoßen.
»Wusstest du«, fragte sie, »dass Werkatzen Hornstachel am Penis haben und der Sex mit ihnen äußerst schmerzhaft sein
Weitere Kostenlose Bücher