Gib mir deine Seele
fixierte ihn und blökte, als missbillige es seine Entscheidung.
Er kehrte ins Haus zurück, um Pauline zu suchen, und fand sie im ehemaligen Schlafzimmer von Jillian. Gemeinsam mit Marguerite räumte sie die Schränke der Tante aus. Die beiden Frauen hatten einen so unterschiedlichen Modegeschmack gehabt, dass fast alles für den Wohltätigkeitsverkauf der Kirche herausgelegt wurde. Eine schmerzliche Aufgabe.
»Pauline, die Corliss möchte am Nachmittag mit dir arbeiten.«
»Das geht nicht. Du siehst doch, was ich hier zu tun habe. Außerdem: Wie soll ich denn so schnell nach London kommen?«
»Nicholas wird dich hinbringen.«
»Nein. Ich kann das jetzt nicht.« Erschöpft ließ sie sich auf einen Stuhl fallen. »Morgen ist die Beerdigung.«
Bevor Constantin etwas erwidern konnte, war Marguerite bei Pauline und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Natürlich wirst du fahren. Das Leben geht doch weiter, und Jillian hätte nicht gewollt, dass du dir eine solche Gelegenheit entgehen lässt.«
Die beiden schickten sie einfach weg. Constantin und Marguerite schienen sich einig zu sein, dass sie ihre Gesangsstunden nicht ausfallen lassen durfte. Constantin behauptete, ein paar Tage auf dem Land täten ihm gut, also würde er bleiben. Henry hingegen musste auch zurück, denn ihre Seminare begannen wieder.
»Stell dir vor, ich bin gefragt worden, ob ich Lust hätte, in Barcelona ein Praktikum zu machen«, platzte sie heraus, nachdem sie in schneller Fahrt zuerst das Dorf und dann Oxford hinter sich gelassen hatten.
»Seit wann gibt es Praktika für Mezzosopranistinnen? Ist das nicht ein bisschen diskriminierend?«
»Zicke!«, Henry schlug ihr spielerisch auf den Arm. »Nicht zum Singen, sondern in der Kostümabteilung des Gran Teatre del … «, sie tippte Nicholas auf die Schulter. »Wie spricht man das aus?«
»Liceu. Es ist vor einigen Jahren abgebrannt, aber inzwischen wieder aufgebaut worden, und es liegt direkt an der Rambla dels Caputxins. Moderne Werkstätten, exzellente Bühnentechnik und riesengroß. Eine Spur unpersönlich vielleicht, aber es hat unter Wagnerfans einen guten Namen.«
»Was bist du? Sir Nick, das wandelnde Lexikon?«
Warm erwiderte Nicholas Henrys Lächeln, als sich ihre Blicke im Rückspiegel trafen. »So etwas in der Art, Darling.« An Pauline gewandt sagte er: »Das ist eine außerordentliche Chance. Sie sollte zusagen.«
»Henry, warum eigentlich nicht? Du hast ein bemerkenswertes Talent, liebst das Theater und Kostüme. Außerdem ist Barcelona bestimmt eine tolle Stadt.«
»Du warst noch nicht da?«
»Nein. Ich war überhaupt noch nie in Spanien. Es ist eine Schande, oder?«
»Dann komm doch mit!« Nun war Henry ganz aufgeregt. »Ich bekomme dort ein kleines Apartment gestellt. Das könnten wir uns teilen.«
»Mal sehen«, sagte Pauline und lächelte. Es war schon eine Versuchung, aber sie wusste nicht, wie es mit Constantin weitergehen würde. Außerdem musste sie sich um eine Anstellung kümmern. Es konnte irgendetwas sein. Hauptsache, sie verdiente Geld.
»Wer hat dir das Angebot überhaupt gemacht?«, fragte sie, um sich abzulenken. Es stellte sich heraus, dass ein Gastprofessor Henrys Kostümentwürfe gesehen hatte und sie so gut fand, dass er sich für sie eingesetzt hatte.
In London setzte Nicholas zuerst Henry zu Hause ab und fuhr anschließend mit Pauline ins Soho Hotel. Er hatte während der Fahrt kaum mit ihr gesprochen. Als sich jedoch die Tür der Suite hinter ihnen schloss, sagte er: »Es steht mir nicht zu, mich einzumischen, aber wenn du ernsthaft überlegst, mit Henry nach Barcelona zu gehen, solltest du mit Constantin darüber sprechen.«
»Wieso um alles in der Welt sollte ich mit Constantin sprechen?«, entfuhr es ihr. Dann fügte sie versöhnlicher hinzu: »Ach, das kann ich mir doch sowieso nicht leisten. Ich brauche einen Job, und zwar bald. Reisen sind erst einmal nur für Auditions drin.«
Als Nicholas ein erleichtertes »Gut« ausstieß, hakte sie noch einmal nach. »Wieso sagst du das eigentlich?«
»Es würde ihn verletzen, wenn du einfach so gehst.«
»Dann besucht er mich eben. Ich habe zwar keine Ahnung, womit er sein Geld verdient, aber offenbar hat er genug davon, um durch die Welt zu reisen.«
»Stimmt. Wenn es ihm an etwas nicht mangelt, dann ist es Geld.«
Pauline war verwirrt. Wollte er damit etwa andeuten, Constantin besäße keine Gefühle? Vorwurfsvoll sagte sie: »Er hat ein gutes Herz. Ich werde ihm nie vergessen, dass er
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