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Gib mir deine Seele

Gib mir deine Seele

Titel: Gib mir deine Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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durfte sie nicht, dann wäre der Knöchel vermutlich hin.
    Der Anfang war auf so hohen Absätzen jedes Mal gewöhnungsbedürftig. Es begann damit, dass sie wegen der angezogenen Knie das Gefühl hatte, auf einem Kinderstühlchen zu hocken. Beim Aufstehen stützte sie sich an der Tischkante ab, und die ersten Schritte sahen bestimmt alles andere als sexy aus. Das empfand Pauline jedenfalls so, bis sie in die Gesichter der drei Geschäftsmänner sah, die ihre Bewegungen mit, wie es schien, angehaltenem Atem beobachteten. Die Kerle lieben uns hilflos , dachte sie in einer Mischung aus Belustigung und Verärgerung. Aber das bin ich nicht. Nicht für euch. Arrogant nahm sie die Schultern zurück und stakste an ihnen vorbei.
    Das Selbstbewusstsein solcherart gestärkt, machte sie den Bahnsteig bald darauf zu ihrem Laufsteg. Für die Begegnung mit Constantin brauchte sie Mut, und die letzten Meter bis zum Chauffeur – oder wer auch immer sie abholen würde – sollten ihr dabei helfen, sich zu sammeln.
    Der dunkel gekleidete Mann an der gläsernen Absperrung am Ende des Bahnsteigs war ihr sofort aufgefallen. Aber erst bei genauerem Hinsehen hatte sie ihn erkannt. Hatte Constantin schon im Anzug fabelhaft ausgesehen, dann raubte ihr sein Anblick nun fast den Atem. Anders war es jedenfalls nicht zu erklären, dass sie ungeachtet des gefährlichen Schuhwerks alles um sich vergaß, zuvorderst ihre Coolness, und einfach losrannte, um sich in seine Arme zu werfen.
    »Du siehst so anders aus«, sagte sie nach einem Begrüßungskuss, der ihre Knie zu Gummi werden ließ.
    Er betrachtete sie stumm, doch in seinen Augen loderte ein Feuer, als wollte er sie auf der Stelle verschlingen. War seine Iris schon immer so strahlend blau gewesen? Oder lag es am Sonnenschein, der die Bahnhofshalle in ein nahezu magisches Licht tauchte?
    Sie traten vor die Türen, und augenblicklich wurde Pauline von der Frühlingssonne geblendet. Dankbar für die Hand, die federleicht auf ihrem Rücken lag, ließ sie sich zu einem Taxi geleiten. Zum Einsteigen brauchte es Geschick, und als sie die Beine einigermaßen manierlich untergebracht hatte, war ihr Rock hochgerutscht. Sie wollte ihn runterziehen, doch Constantin hielt ihr Handgelenk fest.
    »Zum Hotel«, wies er den Fahrer an, während er mit dem Daumen über die zarte Innenseite ihres Arms strich.
    Als sie ihr Ziel erreicht hatten, war sie schon Wachs in seinen Händen. Wie konnte er mit einer so einfachen Berührung diesen Tumult der Gefühle auslösen?
    Das erlesene Boutique-Hotel lag in einer schmalen Seitenstraße und wirkte von außen eher unspektakulär. Im Inneren jedoch erinnerte es in seiner fantasievollen Opulenz an das zweite Kaiserreich unter Napoléon dem Dritten. Dunkle Stoffe und glänzende Edelhölzer, die aufwändigen Bordürentapeten, schwarzer Marmor und blank poliertes Messing hätten auch in einen britischen Herrensalon gepasst. Unwillkürlich sah sie sich nach einem Zigarre rauchenden Dandy um, blickte aber nur auf das Porträt von Oscar Wilde.
    »Ist er hier …?«
    »Ja«, bestätigte Constantin. »Hier hat er die letzte Zeit seines Lebens verbracht.« Dabei wirkte er beinahe, als bereute er die Wahl der Unterkunft.
    Die Suite – natürlich eine Suite , dachte Pauline – wirkte weniger überladen, aber immer noch ziemlich vollgestopft für ihren Geschmack. Deshalb öffnete sie als Erstes die Sprossentüren und trat auf den Balkon hinaus.
    Constantin folgte ihr. Er schien auf einmal bedacht darauf, Abstand zu halten. Die Hände in den Hosentaschen vergraben, sah er über die Dächer der benachbarten Häuser.
    Sie wusste, dass er ihr keine goldene Brücke bauen würde, auch wenn es ihm alles andere als gleichgültig zu sein schien, was sie zu sagen hatte. Zumindest interpretierte sie seinen Gesichtsausdruck entsprechend. Je länger sie beide schwiegen, desto unsicherer wurde jedoch diese Auslegung. Vermutlich war sie nur ihren eigenen Nerven anzulasten. Die eigentümliche Aura, die Constantin auch hier im Sonnenschein, trotz des heiteren Vogelgezwitschers, umgab und ihn härter, auf beunruhigende Weise gefährlich machte, ließ sich nicht nur mit dem dunklen Bartschatten und der ungewohnten Kleidung erklären.
    »Ich akzeptiere deine Bedingungen«, unterbrach sie die Stille schließlich und hielt den Atem an.
    Nichts geschah. Constantin ließ mit keiner Regung erkennen, ob er sie überhaupt gehört hatte.
    »Allerdings nur unter einer Voraussetzung: Du versprichst, nichts zu

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