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Gib mir mehr - Scharfe Stories

Gib mir mehr - Scharfe Stories

Titel: Gib mir mehr - Scharfe Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Mueller
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Rücken geschrubbt, ganz zu schweigen von dem tröstlichen Gewicht eines Mannes zwischen ihren Schenkeln. Abstinenz konnte einen schon in den Wahnsinn treiben.
    Seufzend holte sie eine Zeitschrift aus ihrer Schultertasche hervor und schlug sie auf. Ihre innere Uhr hatte aufgegeben, und sie konnte jetzt sowieso nicht schlafen. Lustlos begann sie zu lesen. Normalerweise kaufte sie sich diese Zeitschrift nicht, sie hatte sie bloß wegen der langen Fahrt mitgenommen.
    Ein Inder setzte sich auf der anderen Seite vom Gang
auf einen Platz. Mel blickte kurz auf und wandte ihren Blick wieder der Zeitschrift zu. Die Buchstaben verschwammen vor ihren Augen, und sie wusste nicht, was sie las. Wieder blickte sie aus dem Fenster.
    Der Zug fuhr über einen Viadukt in Höhe der Dachfirste, die eine graue, trübe Landschaft bildeten, mit Schluchten und Abhängen. Wer von hier stammte, musste fliegen oder gewaltige Abgründe überwinden können. Mel begann gerade, diese hübsche Fantasie zu genießen, als hinter einem Schornstein ein gewaltiger Hirsch seinen Kopf erhob und mit seinem Geweih an den Steinen entlangscheuerte. Im gleichen Augenblick war er schon wieder verschwunden.
    Mel klopfte das Herz bis zum Hals. In der Scheibe sah sie ihr erschrecktes Gesicht. Von irgendwoher im Zug kroch etwas Dunkles, nicht Menschliches heran. Auf einmal roch es nach Nelken. Sie drehte sich um.
    Der Mann auf der anderen Seite des Ganges lächelte sie an. Er war gar kein Inder, sondern sah eher so aus wie ein Piratenhauptmann aus einer Operette. Dunkle, lockige Haare, ein Kinnbärtchen, muskulöser, geschmeidiger Körperbau. Selbst das sorglose Grinsen passte dazu. Er war barfuß, wie man deutlich sah, weil er einen Fuß auf den Tisch vor sich gelegt hatte. Ein langärmliges, weißes T-Shirt saß wie eine zweite Haut, und seine schwarzen Leggings waren womöglich noch enger. Er wirkte wie ein Schauspieler in der Pause zwischen zwei Akten.
    »Melanie«, sagte er. Die Augen unter seinen geschwungenen, schwarzen Augenbrauen waren überhaupt nicht dunkel, sondern eher honigfarben. Gelb, hätte sie gesagt, wenn es das gegeben hätte.

    »Gehen Sie weg!«, flüsterte sie.
    Er gab ein missbilligendes Geräusch von sich. »Das ist aber nicht sehr freundlich von dir. Ich hatte auf einen wärmeren Empfang gehofft.«
    »Ich rufe den Schaffner.«
    Er schüttelte leicht den Kopf. »Ich glaube nicht, dass dir das etwas nützen würde.« Langsam schälte er sich aus seinem Sitz, beugte sich über den Tisch zu der Frau, die in der Ecke saß und las und gab ihr einen leidenschaftlichen Zungenkuss. Dann setzte er sich wieder. Die Frau reagierte nicht. Sie wirkte nicht schockiert oder verängstigt, sondern schien seine Existenz einfach nicht wahrzunehmen. Raschelnd blätterte sie eine Seite um und las weiter. Der Mann grinste spöttisch.
    Mel schlug das Herz bis zum Hals. »Ich weiß nicht, wer Sie sind oder was Sie tun«, sagte sie, »aber Sie müssen...«
    »Tatsächlich? Ich weiß aber, was du tust. Du hast einen Abschluss in Englisch.«
    »Woher wissen Sie das?« Alarmiert blickte sie ihn an.
    Er grinste freundlich. »Ich weiß vieles. Du kannst mich Robin nennen, wenn du willst.«
    »Wenn ich will?«
    »Wenn du lieber einen Namen wissen willst.«
    »Oh, zum Teufel«, stöhnte sie. Ihr drehte sich der Kopf. »Solltest du nicht Flügel haben?«
    Er zog die Augenbrauen hoch und setzte sich bequemer hin, wobei seine schwarzen Leggings sich um seine muskulösen Schenkel und die beachtliche Ausbuchtung in seinem Schritt spannten. »Wenn du willst, kann ich auch ein rosafarbenes Tutu tragen«, erklärte er. »Aber ich dachte, das hier gefällt dir vielleicht besser.«

    Mel dachte an das Spiegelbild im Fenster. »Das ist nicht deine wirkliche Gestalt, oder?«, sagte sie, um Zeit zu schinden. Vielleicht ließ ja ihre Panik dann nach, und sie konnte wieder klar denken.
    Robins Grinsen wurde breiter und böse. »Nein. Nein, natürlich nicht. Gefällt dir diese nicht?« In seinen Worten lag eine so unverhüllte Drohung, dass es Mel die Sprache verschlug.
    »Doch, sie ist gut«, knirschte sie. »Bitte, lass mich in Ruhe.«
    Lachend schüttelte er den Kopf. Sein Lachen war dunkel und weich wie Ruß. »Du willst doch gar nicht, dass ich gehe, Melanie. Du bist einsam und langweilst dich. Das habe ich schon am Bahnhof gesehen. Und du hast mich gesehen und die Frucht genommen, die ich dir gegeben habe. Na, komm, Melanie. Verschwende keine Zeit. Ich weiß doch, dass du umgerührt

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