Gib mir meinen Stern zurück (German Edition)
wirken ließ. Er konnte sich nicht erinnern, sie jemals geschminkt gesehen zu haben, aber es schmeichelte ihr ungemein. Wie er es von David gelernt hatte, bot er ihr galant den Arm und führte sie zum Wagen.
Valerie hatte einen Tisch in dem aufregenden Drehrestaurant 181 auf dem Münchner Olympiaturm reserviert. Wie elektrisiert klebte Rafael den Abend über mit der Nase an der Scheibe, da er sich an der beleuchteten Stadt gar nicht sattsehen konnte. Millionen von Lichtern schimmerten unter ihnen, als hätten sich Horden von Glühwürmchen großflächig verteilt.
Er hatte die verrückte bayerische Metropole inzwischen lieb gewonnen. Die Stadt lebte zu jeder Tages- und Nachtzeit und hatte so viel zu bieten: den schicken Marienplatz, die ellenlange Fußgängerzone und pulsierende Ortsteile wie Schwabing und das Glockenbachviertel. Nur die konstant Bier trinkenden Männer in Lederhosen blieben ihm suspekt, genau wie die Frauen in Dirndln mit ihren ausladenden Dekolletés. Und dummerweise schien der sirianische Sprachcomputer auch keine Dialekte zu beherrschen, was Rafael ab und an enorme Verständigungsschwierigkeiten bereitete. Denn mit den eingefleischten Ureinwohnern Bayerns zu kommunizieren war ein Ding der Unmöglichkeit.
Am Morgen hatte er mit Erstaunen festgestellt, was für ein Katzensprung es von München in die Alpen war. Unter Missachtung sämtlicher Verkehrsregeln hatte er es mit der Harley in sage und schreibe fünfundzwanzig Minuten geschafft. Und auch wenn die Maschine auf den ersten Kilometern hin und wieder geruckt und gezuckt hatte, war er in Windeseile auf den Trichter gekommen, wie man das Geschoss in halsbrecherischem Tempo über die Bergstraßen jagte. Das Glücksgefühl lag im ähnlichen Bereich wie bei einem wilden Ritt mit dem Gleiter durch Sirias Schluchten, wenn auch die Geschwindigkeit des Motorrads noch jede Menge Potenzial nach oben bot.
Aber Valerie hatte recht behalten, in den Bergen war es noch empfindlich kühl, und so hatte er gegen Mittag mit klammen Fingern und eisigen Zehen den Rückzug angetreten. Er hoffte nur, dass es ihm vergönnt sein würde, den Sommer noch in vollen Zügen auf der Erde auszukosten, um längere Touren in Angriff zu nehmen.
Dummerweise hatte er während der Ausfahrt komplett die Zeit vergessen und es somit an diesem Tag verwirkt, sich eine willige Blondine zu angeln.
Gedankenverloren glitt sein Blick jetzt über Valeries glänzendes Haar und ihre schimmernden Lippen, bevor er sich an ihrem kleinen Busen festsaugte, der unter dem engen Kleid fest und straff wirkte. Als gänzlich unerwartet eine Hitzewelle durch seinen Körper jagte, fuhr er sich mit den Fingern hektisch in den Hemdkragen. Himmel, er sollte es lieber unterlassen, sie in Gedanken zu entkleiden. Um nichts in der Welt durfte er seine Nachbarin als Versuchsobjekt benutzen.
Valerie musterte ihn irritiert. Hatte sie seine Reaktion etwa bemerkt? Schnell befasste er sich mit der Speisekarte, ließ dann aber seine Begleiterin die Auswahl treffen, da die meisten Gerichte für ihn wie böhmische Dörfer anmuteten. Und während Rafael stur auf Mineralwasser beharrte, tat sie sich an einem leckeren Chardonnay gütlich.
„Sie trinken überhaupt keinen Alkohol?“, fragte sie mit verhaltener Neugier.
„Ganz selten. Ich vertrage leider keinen. Das war schon immer so. Muss ein genetischer Defekt sein.“
Valerie lachte. „Nun, das ist ja wohl kein Beinbruch.“
Dann verebbte das Gespräch, und während Rafael wieder nach draußen starrte, lauschten sie wie automatisch dem Geturtel eines verliebten Pärchens am Nebentisch.
„Erzählen Sie mir etwas von sich, Valerie“, unterbrach er schließlich die bedrückende Stille, als ihre Nachbarn mit gegenseitigen Fütterungsaktionen den Vogel abschossen.
„Ach, da gibt es nicht viel Erwähnenswertes. Ich opfere gerade große Teile meiner Freizeit dem Studium. Ansonsten chatte ich mit weit entfernten Freunden, die ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr zu Gesicht bekommen habe. Aber das wissen Sie ja alles schon.“
„Und warum statten Sie Ihren Freunden nicht einfach einen Besuch ab? Ich würde es lieben, die Welt zu bereisen, wenn ich nur die Zeit dazu hätte.“
Valerie pikste die Gabel in ein Salatblatt. „Das habe ich ja vor, nur hat es bisher einfach nicht geklappt.“ Nervös jagte sie eine Kirschtomate über den Teller.
Doch Rafael ließ nicht locker. „Eines interessiert mich. Wie sind Sie überhaupt bei Angelina gelandet?“ Ihm blieb nicht
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