Gib mir meinen Stern zurück (German Edition)
Verschnaufpause. „Ja, das tue ich ja auch. Aber in der Regel zur Mittagszeit.“ Konzentriert stierte er aus dem Fenster. „Es hat aufgehört zu regnen. Wollen wir später noch einen kleinen Spaziergang durch die Stadt machen?“
Angeheitert durch den Wein kam Valerie eine andere Idee. „Auf der Theresienwiese ist Frühlingsfest. Da war ich schon seit Jahren nicht mehr. Hätten Sie Lust, mich dorthin zu begleiten?“
Kapitel 11
Das gigantische Volksfest sprengte Rafaels Vorstellungskraft. Wie berauscht von den bunten Lichtern, die Buden und Fahrgeschäfte funkeln ließen, schlängelte er sich zwischen den Menschenmassen hindurch. Er war zwar mit David einmal über den Santa Monica Pier spaziert, doch verglichen hiermit war das ein Kinderspielplatz. Himmlische Gerüche folterten seine Nasenflügel. Es duftete nach Gegrilltem und gebrannten Mandeln, doch er hatte seinen Magen mit dem Abendessen schon genug drangsaliert und konnte ihm unmöglich mehr zumuten. Denn sicher hatte seine Begleiterin wenig Verständnis, wenn er in die nächste Mülltonne reiherte.
Valerie hatte sich inzwischen locker bei ihm eingehakt und fand mehr und mehr Gefallen an dem Abend. Das zweite Glas Wein hatte sie ein wenig enthemmt, und so kostete sie es vorbehaltlos aus, am Arm dieses aufregenden Mannes über das Festgelände zu bummeln. Seine imposante Erscheinung in dem eleganten dunklen Anzug beeindruckte sie immer wieder, wenngleich ihr Begleiter ständig abbremste, um mit großen Augen die vielfältigen Attraktionen zu inspizieren.
In mancher Hinsicht war er wie ein kleiner Junge. Diesen dreißigjährigen, welterfahrenen Mann konnten die winzigsten Details faszinieren. So ließ er es sich nicht nehmen, ihr einen riesigen silbernen Luftballon in Form einer Harley zu kaufen und ihr mit ruhiger Hand gekonnt einen kuscheligen Pandabären zu schießen, den er lange mit einem fast wehmütigen Gesichtsausdruck anguckte. Ein großes Lebkuchenherz mit der Aufschrift „I love Munich“ pendelte bereits an ihrem Hals hin und her.
Behängt wie ein Weihnachtsbaum tippelte sie neben ihm her und fing immer wieder die Blicke von Frauen auf, die Rafael lüstern begafften. Was sie veranlasste, sich besitzergreifend an ihn zu drücken. Nein, zumindest an einem Abend gehörte dieser Traummann ihr. So beschwingt und glücklich hatte sie sich seit Jahren nicht mehr gefühlt.
Dieses Potpourri aus Gerüchen, bunten Lichtern und lachenden Menschen – ach, wie sie das alles vermisst hatte! Die ganzen Impressionen legten sich um ihre Sinne wie eine kuschelige Jacke. Denn tief im Grunde ihres Herzens wünschte sie sich nur eines: Sie wollte ihr altes Leben zurück. Sie hatte es so satt sich in Angelinas Bunker zu verkriechen. Die Welt sollte sie endlich wieder haben.
Und just in diesem Moment schwor sie sich, dieses Ziel ab sofort intensiv zu verfolgen. Mit dem Beginn ihres Studiums hatte sie den Grundstein gelegt. Jetzt musste sie nur noch den Ekel davor überwinden, womöglich Alex wiederzusehen, und sich nach draußen trauen. Und am besten würde sie das Karatetraining wieder aufnehmen, das sie nach dem Unfall aufgegeben hatte. Was ihrem Selbstwertgefühl sicherlich zusätzlichen Auftrieb verleihen würde. In Gedanken versunken rumpelte sie gegen etwas. Erschrocken sah sie zu einem blonden Hünen in Lederhosen auf, der beunruhigend schwankte. „Tschuldigung“, murmelte sie kleinlaut.
Doch der Mann lallte mit bedrohlichem Unterton: „Kannste nich aufpassn!“
Rafael, der gerade fasziniert eine gigantische Schiffschaukel unter die Lupe nahm, fuhr irritiert herum.
„Ist schon gut, es tut mir leid!“ Valerie hob beschwichtigend die Hände und versuchte, mitsamt ihres Begleiters einen Bogen um den Wikinger herum zu machen.
Doch dieser baute sich bedrohlich vor ihnen auf und musterte Rafael von oben bis unten.
O nein, auch das noch!
„Wass iss, Dressman?“, brabbelte Wickie. „Wer gewinnt, kriegt die Kleine.“
Verzweifelt schaute Valerie sich nach einem Security-Angestellten um. Im Eifer des Gefechts war ihr komplett entfallen, dass sie an diesem Abend die Security auf Schritt und Tritt bei sich hatte. Denn schon flog der Besoffene nach hinten wie von unsichtbaren Fäden zurückgerissen, und krachte so heftig gegen eine Würstchenbude, dass die kleinen, knackigen Würstchen kurzfristig entgeistert über dem Grill schwebten. Verdattert blieb die Schnapsdrossel an der Theke hängen, begleitet von empörten Schreien der
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