Gib mir meinen Stern zurück (German Edition)
Budenbesitzerin.
Valerie riss vor Überraschung Mund und Augen auf. Sie hatte überhaupt nicht mitbekommen, was passiert war. Mit einer blitzschnellen, kaum wahrnehmbaren Bewegung seines Armes hatte Rafael den stattlichen Riesen zur Seite gefegt wie einen halb vollen Mehlsack.
„Alles klar?“, flüsterte der Mann an ihrer Seite und zwinkerte ihr verschmitzt zu.
Sie nickte fassungslos.
„Gut, gehen wir weiter.“
Rafael grinste innerlich über Valeries verdutzte Miene. Auch wenn ihm David mehrfach eingebläut hatte, zurückhaltend mit seinen schnellen Bewegungen und der übermenschlichen Kraft umzugehen, konnte er es manchmal einfach nicht lassen. Schon letzte Woche im Pascha hatte er mit den beiden Türstehern seine wahre Freude gehabt. David lag ja so was von richtig. Er war den Erdenbürgern um Lichtjahre voraus, und er liebte diese Gabe.
Er schielte zu Valerie hinüber, die ihn immer wieder versonnen begutachtete. Ein geheimnisvoller Glanz hatte von ihren Augen Besitz ergriffen und die Sorgenbündel, die normalerweise ihr ständiger Begleiter waren, schienen wie welke Blätter von ihr abgefallen zu sein. Sie strahlte mit den Neonlichtern des Volksfestes um die Wette und ließ ihn vergessen, dass er eigentlich eine schwierige Mission zu erfüllen hatte.
Aber eine Sache brachte ihn fast um. Wie hatte dieser Scheißkerl von Exmann eine solch fantastische Frau dazu gebracht, sich komplett von der Außenwelt abzuschotten? Urplötzlich wünschte er sich, dieses Drecksstück einmal in die Finger zu bekommen.
Rafael kannte Gewalt vorwiegend aus Filmen und von den kleinen Faustkämpfen mit seinen Kumpels auf Siria, wo es normalerweise um Fouls beim Weltraumfußball ging. Doch aufgrund des beruhigenden Eukalyptusgeruchs konnte man dieses alberne Gerangel kaum für bare Münze nehmen – was auf die Erde leider nicht zutraf. Gewalt schien hier allgegenwärtig zu ein. Angelina und Valerie Schutz zu gewähren war manchmal nur mit purem Körpereinsatz möglich, was für ihn glücklicherweise ein Klacks war. Und es lag auf der Hand, dass er bisher nur an der Oberfläche dessen gekratzt hatte, was mit seinen Fähigkeiten tatsächlich machbar wäre.
Erneut flogen seine Blicke zu Valerie, die mit strahlenden Augen die Wagen einer Achterbahn musterte, die sich ratternd in die Tiefe stürzten. Immer wieder kitzelte der Hauch ihres dezenten Parfums seine Nasenflügel. Sie verströmte einen durch und durch natürlichen, ansprechenden Geruch, im Gegensatz zu Angelina, die mit ihren vielen Sprays stets in einer chemischen Wolke zu schweben schien.
Vor einem gigantischen Riesenrad blieb er wie angewurzelt stehen und schaute hinauf. Auch wenn es nicht gerade von der schnellen Truppe war, faszinierte ihn die Höhe. „Was ist, Valerie? Hätten Sie Lust?“
Sie grinste. „Warum nicht!“
Just in dem Moment, als sie im Begriff waren, eine der Gondeln zu besteigen, drang ein verdächtiges Knacken an Rafaels Ohr. Er wirbelte herum und entdeckte neben der Einstiegsstelle den ratternden Motor. Er schärfte seine Sinne und registrierte, dass die Maschine nicht rund lief. Mit Geisteskraft versuchte er die Zahnräder zu synchronisieren, doch da er die Struktur des Antriebs nicht im Detail kannte, misslang dies.
Ohne eine weitere Sekunde zu zögern wandte er sich dem untersetzten Mitarbeiter in Lederhosen zu, der beim Einsteigen behilflich war. „Hören Sie, mit dem Motor ist etwas nicht in Ordnung. Er wird in nächster Zeit ausfallen.“
Der Bayer glotzte ihn ungläubig an. „Ach, redns koan Schmarrn. Woins jetz fahrn oda ned?“
„Was hat er gesagt?“, fragte er Valerie verständnislos.
„Er sagt, wir sollen endlich einsteigen. Kommen Sie schon!“, zischte sie und versuchte ihn in die Gondel zu ziehen. Doch genauso gut hätte sie den Versuch unternehmen können, das Matterhorn zu verschieben.
„Nein, wirklich“, redete Rafael weiterhin mit Engelsgeduld auf den Mann ein, der ihn nur entgeistert ansah. „Hören Sie, ich bin Techniker. Wenn ich Ihnen sage, dass der Motor einen Defekt hat, können Sie mir getrost glauben.“
Nun bekam der kleine Bayer einen roten Kopf. Wie ein Bluthund blähte er die Nasenflügel. „Entweda steigns jetz a, oda gehns weida. Es woin noch mehr Leite fahrn.“
Und tatsächlich, hinter ihnen erhoben sich murrende Stimmen. Da kamen ihm Davids warnende Worte wieder in den Sinn. Er lauschte noch ein paar Sekunden dem ungleichmäßigen Einrasten der Zahnräder, befürchtete aber keine akute
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