Gideon Crew 02 - Countdown - Jede Sekunde zählt
sonst noch verlangt hatte.
Gideon war also noch immer am Leben.
Lockhart kreischte, das Ganze sei ein geheimer Plan, ein Komplott, eine Verschwörung – bis seine Tiraden völlig unverständlich wurden.
In diesem Moment war Fordyce plötzlich absolut überzeugt: Gideon Crew war unschuldig. Es gab keine andere Erklärung, keine. Denn warum sollte er sich zur Paiute Creek Ranch aufgemacht und getan haben, was Lockhart behauptete. Er war das Opfer eines Komplotts. Die E-Mails waren ihm untergeschoben worden. Und das bedeutete ebenso zweifelsfrei, dass Novak an dem terroristischen Komplott beteiligt war. Und wenn Fordyce das auch schon geahnt hatte, jetzt war die Schlussfolgerung unausweichlich.
»He! He, Sie da!«
Lockharts Schrei unterbrach Fordyce’ Erleuchtung. Er blickte auf und sah, dass der Sektenführer ihn anstarrte und mit zitterndem Finger auf ihn zeigte. »Er ist’s! Da ist er! Das ist der andere Typ, der letzte Woche auf die Ranch gekommen ist! Die haben einen Streit angezettelt, alles kurz und klein geschlagen, meine Leute verletzt! Du Schweinehund!«
Fordyce blickte nach links und rechts. Alle starrten ihn an, darunter auch Millard.
»Fordyce«, sagte Millard in merkwürdigem Ton, »ist das auch ein Mann, den Sie vernommen haben?«
»Vernommen?«, schrie Lockhart. »Sie meinen wohl misshandelt! Er hat ein halbes Dutzend meiner Leute mit einer Kettensäge angegriffen! Das ist ein Wahnsinniger! Verhaftet ihn! Oder steckt ihr alle in der Sache mit drin?«
Fordyce warf Millard einen Blick zu und schaute zum Ausgang. »Der Mann spinnt«, sagte er ruhig. »Schauen Sie ihn sich doch nur an.«
Auf allen Gesichtern stand eine gewisse Entspannung, eine gewisse Erleichterung, weil die Anschuldigungen genauso irre waren wie alle anderen. Das heißt, auf allen Gesichtern außer dem von Millard.
Plötzlich schlug Lockhart nach Fordyce, worauf es zu einem Handgemenge kam, als ein Dutzend Agenten herbeistürmten, um dazwischenzugehen.
»Lasst mich an ihn ran!«, brüllte Lockhart und fuchtelte wild mit den Armen. »Er ist der Teufel! Er ist dieser Gideon Crew!«
Fordyce holte mit seinem kräftigen Unterarm aus, traf damit einen Agenten und prallte gegen einen anderen. Im darauffolgenden Geschubse und Gebrülle und Geschiebe gelang es ihm, sich zu bücken, durch den Menschenandrang hindurchzuflitzen und aus der Tür zu schlüpfen. Er begab sich geradewegs zum Wagen, stieg ein, startete den Motor und fuhr los.
57
A ls die Morgendämmerung hereinbrach, stand Gideon mit pochendem Schädel neben dem Ledersofa und zog sich an, während Alida nackt auf dem Bärenfell vor dem Kamin lag, immer noch schlafend, das blonde Haar wüst zerzaust, die weiche Haut immer noch glänzend auf dem dunklen Vorleger. Vor den Fenstern der Hütte huschten dunkle Wolken über den Himmel, und ein regnerischer Wind peitschte die Kiefern. Ein Gewitter braute sich zusammen.
Verworrene Erinnerungen an die gestrige Nacht schwirrten ihm im Kopf herum. Zu viele Drinks, spektakulärer Sex, und nur Gott wusste, was für unkluge Dinge er gesagt oder versprochen hatte. Gideon fühlte sich furchtbar. Was hatte er getan? Er war ein komplettes Arschloch. Zuzulassen, Alida in die Sache hineinzuziehen, obwohl er vermutete, dass ihr Vater ein Terrorist war, und die ganze Zeit insgeheim zu planen, wie er ihn stoppen, zu Fall bringen konnte … es war monströs.
Was sollte er tun? Sollte er Alida ins Vertrauen ziehen? Nein, das würde nicht funktionieren – nie und nimmer würde sie ihm abnehmen, dass ihr Vater, Simon Blaine, Bestseller-Autor, Ex-Spion, der Anführer – oder zumindest ein Beteiligter – eines nuklearen Terrorismuskomplotts war. Wer würde das schon? Er musste Alida weiterhin anlügen und die Sache allein durchziehen. Musste nach Maryland fliegen, Blaine finden und ihn stoppen. Aber er konnte ja nicht einfach einen Flieger besteigen, durfte nichts tun, was einen Ausweis erforderte. Es gab nur eine Möglichkeit, wie er zurück nach Osten gelangen konnte. Im Auto – in Alidas Jeep.
Es kam ihm unmöglich vor. Warum sollte ein Mann wie Blaine in solch eine terroristische Verschwörung involviert sein? Aber er hatte damit zu tun. Gideon war da inzwischen sicher. Es gab einfach keine andere Antwort.
Während er über seinen Part in der ganzen Angelegenheit nachdachte, beschlich ihn erneut eine Art Selbsthass. Doch was blieb ihm denn übrig? Es ging hier um mehr als darum, seinen Namen reinzuwaschen. Unzählige Menschenleben
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