Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
ihm einen vernichtenden Blick entgegen. »Aber dein Handy ist ja aus!«
Der Wagen wendete und fuhr über die Brücke zur Hauptstraße zurück. Kalkbrenner starrte den Rücklichtern hinterher, bis sie endgültig verschwunden waren.
Verflucht!
Judith erwartete ihn mit einem Handtuch im Haus. »Es tut mir leid.«
Kalkbrenner trocknete sich ab. »Du kannst doch nichts dafür.«
Er hätte sich nicht aufhalten lassen dürfen. Er hätte zurück nach Berlin fahren sollen. Dort wartete Arbeit auf ihn, die keinen Aufschub duldete. Die Zeit drängte.
Er griff nach seiner Jacke und zog das Handy aus der Tasche. Das Display blieb schwarz. Der Akku war leer.
Noch mal verflucht!
Er ging zum Auto. Es war ihm egal, dass er wieder klitschnass wurde. Er holte das Ladegerät und stöpselte es im Ferienhaus ans Stromnetz. Einige Minuten verstrichen, in denen er sich im Bad mit einem zweiten Handtuch abtrocknete. Als er wieder ins Zimmer kam, starrte Judith in die Kaminglut.
Er schaltete das Handy ein. Drei Anrufe waren eingegangen. Er hörte die Mailbox ab. »Paps, wir machen uns jetzt auf den Weg zur Datsche. Das mit dem Essen gestern war blöde. Aber meine Reaktion auch. Vielleicht können wir das ja am Wochenende nachholen.«
Die Chancen auf ein neuerliches Treffen waren zwischenzeitlich wohl auf einen historischen Tiefstand gesunken. Er drückte eine Taste und lauschte der nächsten Nachricht. »Rita hier. Gemäß der Langzeitdatei der Taxi-Funkzentrale, in der Anrufer gespeichert werden, ist tatsächlich am betreffenden Montag ein Taxi zu den Brodbecks bestellt worden. Das Unternehmen
Taxi Schnell
hat den Fahrer Michal Kasprowicz rausgeschickt. Der hat zwar kein Handy, aber heute Abend Dienst. Die Nummer von
Taxi Schnell
ist …«
Noch ein Tastendruck, und die Aufnahme der dritten Nachricht wurde abgespult: »Hier ist Peer aus dem St.-Antonius-Stift. Es geht um Ihre Mutter. Sie hatte einen Herzinfarkt. Sie ist auf dem Weg in die Charité. Können Sie bitte kommen?«
95
Nachdem die Koalitionsverhandlungen für diesen Tag beendet waren, drängte es Karl-Edmund Hönig zu einem Gespräch mit Frieder. Sie waren auf dem Weg zum Parkplatz vor dem Preußischen Landtag. »Sollen wir noch eine Kleinigkeit essen gehen?«, fragte Hönig.
Von Hirschfeldt sah kurz auf die Armbanduhr. »Das war heute ein anstrengender Tag. Die Koalitionsgespräche, außerdem …« Sein Gesicht bekam einen genervten Ausdruck. »… die Gerichtsverhandlung am Morgen.«
»Ich weiß«, sagte Hönig und wusste eigentlich gar nichts, denn sein Freund hatte nur wenige Worte über den Entscheid des Richters verloren. Ganz offensichtlich war in der Sache gegen Dossantos nicht alles nach Plan verlaufen.
»Außerdem wartet daheim noch eine Menge Arbeit auf mich, die die letzten Tage liegen geblieben ist.«
»Nur auf ein Bier oder zwei.«
»Ist es denn wichtig?«
Das ist es.
»Ich hatte gestern ein Gespräch mit Martina.«
»Wie geht es ihr? Hat sie die Wahlparty am Sonntag gut überstanden?«
»Ja, natürlich«, log Hönig.
Wie wäre es zum Beispiel, wenn dein Freund sich mal nicht nur darum kümmert, wie er sich am besten öffentlich verkauft, sondern dir bei deinem Problem beisteht?
»Aber was ich sagen wollte, Martina meinte, wir …«
Von Hirschfeldt gab seinem Personenschützer ein Zeichen, damit er mit dem Wagen vorfuhr. »Können wir das nicht auf morgen verschieben?«
»Weißt du …«
Frieder inspizierte erneut die Uhr. »Bitte.«
»Also gut. Morgen.«
»Versprochen!«
Also nahm Hönig auf dem Heimweg an einer Zehlendorfer Imbissbude mit Currywurst und Pommes vorlieb. Er hatte das heiß dampfende Gericht kaum vor sich stehen, als Alois Körber, sein Nachbar, an die Theke trat und ein Jägerschnitzel orderte. Der rüstige Rentner, dessen Frau vor sechs Jahren verstorben war, gesellte sich zu ihm. »Heute bleibt die Küche zu Hause kalt, wa, Herr Hönig?«
»Ja.«
»Wie geht’s denn Ihrer Martina?«
»Danke, gut.«
»Man sieht Se ja kaum noch.«
»Sie wissen schon, die Arbeit.«
»Ja, ja, die Politik.« Der alte Mann säbelte sich sein Schnitzel in mundgerechte Portionen. Bevor er allerdings ein Stück aß, sagte er: »Herr Hönig, ick hab kürzlich die Zeitung jelesen.«
Unwillkürlich kaute Hönig schneller.
Politikersohn angeschlagen im
Café Hermano.
Er wollte es nicht hören. Er schaute zum Himmel, an dem sich die grauen Wolken zunehmend verdichteten. »Da braut sich mächtig was zusammen.«
»Wird ja och mal Zeit. Det war
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