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Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Titel: Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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Straßenschild wies zur St. John’s Church, der Kirche mit dem schönsten Friedhof der Karibik. Ein holpriger Schotterweg brachte sie zu Sam Lord’s Castle, einem alten, verfallenen Piratennest, bevor Harrismith Beach in Sicht kam. Kalkbrenner bezahlte den Taxifahrer und schlenderte zum Strand.
    Er streifte sich Schuhe und Socken von den Füßen. Der Sand kitzelte zwischen seinen Zehen. Ein Gefühl von Freiheit durchströmte ihn.
    Er setzte sich, spielte mit dem Sand. Er ließ die kleinen Körner durch die Finger gleiten, ein sanftes, weiches Flirren auf der Haut. Unterdessen säuselte das Meer verführerisch in seinen Ohren. Zwei, drei Surfer ritten auf den Wellen und jauchzten über den Spaß. Kalkbrenner sah interessiert ihrem ausgelassenen Treiben zu.
    Eine Brise umschmeichelte sein Gesicht. Er roch die frische Luft und atmete tief ein. Sie reinigte nicht nur seine Lunge, sondern machte auch seinen Kopf frei. Der letzte Rest der aufgestauten Anspannung fiel von ihm ab.
    Kalkbrenner ließ die Seele baumeln. Ja, diese Insel war ein Ort, an dem es ihm nicht schwerfallen würde, sich wohl zu fühlen.
    Mit diesem Wissen erhob er sich, schlüpfte in Socken und Schuhe zurück und machte sich auf den Weg nach The Crane. In dem kleinen Städtchen war die Geschichte der Insel, der Einfluss der spanischen, britischen und niederländischen Eroberer, allgegenwärtig: Alte indianische Zeichen, die Unheil von den Bewohnern abhalten sollten, verzierten die prächtigen Fronten der pastellfarbenen Kolonialbauten. Daneben gab es einfache Hütten aus Palmholz und großzügige Hotelanlagen.
    Kalkbrenner fragte Passanten nach dem Weg. Die dunkelhäutigen Menschen mit ihren bunten Kleidern und dem einnehmenden Lächeln halfen ihm bereitwillig.
    Als er schließlich das gesuchte Haus erreicht hatte, erkannte er sofort die strahlend weiße Fassade, selbst den kleinen Falken an der Balkonbrüstung. Er blieb einige Minuten vor dem Gebäude stehen, ließ dessen schlichte Großzügigkeit auf sich wirken. Der Gedanke, in diesem Haus zu leben, fühlte sich an wie ein Traum.
    Sein Handy klingelte. Er erkannte die Nummer auf Anhieb und nahm an.
    »Paul«, hörte er Judiths sanfte Stimme, »ich habe dich erwartet.«
    Da stand sie, auf dem Balkon. In der dunkelroten Abendsonne von Barbados funkelte ihre braune Haut wie Gold. Sie sah besser aus als je zuvor und winkte ihm mit einem freudigen Lachen zu. Sofort fühlte sich Kalkbrenner wieder zu ihr hingezogen.

141
    Karl-Edmund Hönig saß in seinem Homeoffice und sortierte Unterlagen, als Martina ins Zimmer kam. »Musst du nicht zur Arbeit?«
    Nein
,
nie wieder.
»Heute nicht.«
    Er spürte ihren fragenden Blick auf sich ruhen, doch er fuhr mit dem Aufräumen fort. Da er annahm, dass sie den Raum wieder verlassen hatte, war er umso erschrockener, als sie plötzlich sagte: »Ich wollte dir nur sagen, dass ich ausziehe.«
    »Okay.«
    »Nur damit du Bescheid weißt.«
    »Ich weiß dann Bescheid.«
    »Ist alles in Ordnung mit dir?«
    »Ja.«
    »Irgendwas ist doch.«
    »Nein.«
    Sie schwieg. Er beobachtete seine Frau aus den Augenwinkeln. Irgendwann meinte sie: »Frieder war vorgestern Abend da.«
    »Und?«
    »Er schien ziemlich in Rage zu sein.«
    »Ja, es gibt einige Probleme in einer Sache, die eine große Bedeutung für ihn hat.«
    »Geht es dabei um diesen Dossantos?«
    Hönig widmete sich weiterhin seinen Papieren.
    »Frieder hat mich nämlich nach ihm gefragt«, erklärte Martina.
    »Schön.«
    »Ich hab ihm gesagt, dass du Besuch hattest. Von dem Portugiesen. Ich hoffe, das war kein Fehler.«
    »Ist schon in Ordnung.«
    »Warum war der eigentlich hier?«
    »Ich hab dir doch schon gesagt: Ist nicht so wichtig.«
    »Du magst nicht mit mir reden, oder?«
    Er legte die Unterlagen zur Seite und drehte sich zu seiner Frau. »Du verstehst nicht, wie wichtig mir meine Arbeit ist. Du machst mir zum Vorwurf, dass unser Sohn missraten ist. Du willst ausziehen. Du willst dich von mir scheiden lassen. Und jetzt willst du wissen, warum ich nicht mit dir reden möchte?«
    »Es war nur eine Frage, entschuldige.«
    »Entschuldigung angenommen.«
    Er nahm die Zeitung zur Hand. Dem Bericht auf der Titelseite zufolge waren die Mordfälle aufgeklärt: der Mord an dem Lehrer, an Samuel Dossantos, der an den beiden Schülern. Sogar der an der Prostituierten. Alle gingen auf das Konto ein und desselben Mörders. Wie immer Dossantos es bewerkstelligt hatte, er hatte sich tatsächlich darum gekümmert. Hönigs Name

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