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Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Titel: Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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geholt?«

12
    Wenn Frieder von Hirschfeldt in seiner langjährigen Karriere als Politiker eins gelernt hatte, dann das:
Haltung bewahren.
    Egal, ob ihn politische Gegner, Reporter oder Bürger mit unangenehmen Themen konfrontierten oder großkotzige Verbrecher ganz offenkundig mit dem Bürgermeister mauschelten, sich mit einer immensen Geldspende vor der Presse als Wohltäter aufspielten und ihn dann mit einem Grinsen herausforderten – so leicht ließ er sich nicht aus der Ruhe bringen.
    Doch während der Regierende Bürgermeister Klaus Wolkers seine Rede zur Eröffnung der Sozialeinrichtung hielt, fiel es von Hirschfeldt plötzlich schwer, die
Contenance zu bewahren
, wie es sein Freund, der Dozent an der Akademie der Künste, immer nannte. Mit einer plötzlichen Bewegung packte er Karl-Edmunds Arm, der unter dem energischen Griff zusammenzuckte.
    »Was ist?«
    Die Umstehenden schauten bereits neugierig. Sogar Wolkers hielt irritiert in seiner Rede inne, fuhr aber nach einer kurzen Pause fort.
    »Alles in Ordnung?« Leise und besorgt neigte sich Bernd Schmücker herüber. Auch die Aufmerksamkeit des dienstbeflissenen Praktikanten Götting erwachte.
    Aber von Hirschfeldt hatte sich bereits wieder im Griff und lächelte unbefangen. »Alles in Ordnung.« Er wartete kurz, bevor er flüsterte: »Karl-Edmund, was will dein Sohn hier?«
    »Lars?«
    »Hast du etwa noch mehr Söhne?«
    »Nein, aber was sollte er hier wollen?«
    »Das frage ich dich gerade.«
    »Er ist doch gar nicht … Meine Güte, tatsächlich, da ist er!« Ein paar Meter entfernt torkelte Lars auf die Polizeiabsperrung zu. »Und dann auch noch in diesem Aufzug!«
    Gerade drohte Lars in den Rinnstein zu stürzen. Offenbar nicht zum ersten Mal: Sein T-Shirt war schmutzig, die Jeans zerrissen, die Haare standen ihm wirr vom Kopf ab.
    »Worauf wartest du noch?«, zischte von Hirschfeldt.
    »Ich warte nicht.«
    Alkoholisierte Gestalten gehörten in Neukölln zwar zum alltäglichen Straßenbild, nicht aber betrunkene Söhne bekannter Politiker. »Dann sieh zu, dass du deinen Sohn erwischst, bevor es zum Eklat kommt.«
    Karl-Edmund drängelte sich an den Gästen vorbei zur Straße durch. Von Hirschfeldt gab derweil vor, den Ausführungen des Bürgermeisters über den Amoklauf, die Lösung der Probleme und die Leistungen seiner Fraktion zu lauschen, während er unauffällig seinen Freund beobachtete.
    Karl-Edmund eilte Lars entgegen. Dabei vergrub er die Hände betont lässig in den Hosentaschen, so dass er für einen etwaigen Beobachter einen unbeschwerten Eindruck machte. Aber niemand nahm Notiz von ihm. Jetzt war von Hirschfeldt sogar froh, dass dieser Dossantos vor Ort war. Alle Aufmerksamkeit war auf ihn gerichtet.
    Karl-Edmund winkte seinen Sohn an der Absperrung vorbei und legte ihm die Hand um die Hüfte. Der Junge stieß ihn von sich. Ein Wortgefecht entbrannte. Doch was immer die beiden sich auch an den Kopf warfen, zum Glück drang es nicht bis zur Veranstaltung durch, denn in dieser Sekunde durchschnitt der Bürgermeister das Blumenband der Eingangstür. Beifall brandete auf. Eine Musikkapelle spielte. Nicht nur die Sozialeinrichtung, auch das Büfett war eröffnet. Die Menge strebte in das Gebäude. Sektkorken knallten, Gläser klirrten.
    Auch Lars rannte jetzt auf den Eingang zu.
    »Frieder!«, rief Bernd Schmücker. Praktikant Götting wieselte wie immer im Anzug hinter ihm her, einige Gläser Sekt in der Hand. »Wir warten schon auf dich!«
    Menschen traten aus dem Gebäude. Einige Kollegen aus der Fraktion, außerdem zwei Reporter. Von Hirschfeldt zögerte nicht lange. Als Lars sich an ihm vorbeischieben wollte, packte er ihn am Ärmel, so wie man nach jemandem griff, den man seit langer Zeit schon nicht mehr gesehen hatte. »Lars!«, rief er übertrieben laut. »Schön, dich zu sehen!« Dabei drängte er den Jungen unbemerkt von seinem angestrebten Weg ab. Es war nur ein Reflex, doch als von Hirschfeldt eine offene Tür am anderen Ende des Gebäudes entdeckte, handelte er schnell. Lars wehrte sich überrascht, doch sein Patenonkel zog ihn unnachgiebig in den Flur, dessen Wände fröhlich mit bunten Farben bemalt worden waren. Er sah sich kurz um und schob den Jungen dann in das erstbeste Zimmer.
    Karl-Edmund folgte und schloss hinter ihnen die Tür. »Lars, du kannst hier nicht einfach aufkreuzen und …«
    »Du siehst doch, dass ich das kann.«
    »Veralbere uns nicht«, sagte von Hirschfeldt.
    »Ich? Dich veralbern?« Lars hielt sich

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