Gier, Kerstin
nicht. Das weiß ich
zufällig von einer Freundin, die eine Freundin hat, die näher mit ihm bekannt
ist ... - nicht, dass mich das interessieren würde.«
»Nee, is
klar«, sagte Xemerius. Er flatterte vom Fensterbrett und setzte sich mitten auf
den Esstisch. »Können wir dann jetzt endlich mal?«
Eine halbe
Stunde später war Leslie auf dem neusten Stand der Dinge und Caroline im Besitz
eines echten Vintage-Häkelschweins aus dem Jahr 1929. Als ich ihr erzählte,
woher ich es hatte, war sie schwer beeindruckt und wollte das Ferkel Margret
nennen, Lady Tilney zu Ehren. Mit dem Schwein in den Armen schlief sie
glücklich ein, als es endlich ruhig geworden war.
Man hatte
Mr Bernhards Hammer- und Meißelgeklopfe im ganzen Haus hören können - heimlich
hätten wir die Mauer niemals aufschlagen können. Und heimlich schafften Mr
Bernhard und Nick es auch nicht, die Truhe hinauf in mein Zimmer zu schaffen.
Gleich hinter ihnen kam Tante Maddy durch die Tür getrippelt.
»Sie hat
uns auf der Treppe erwischt«, sagte Nick entschuldigend.
»... und
sie hat die Truhe wiedererkannt«, sagte Tante Maddy aufgeregt. »Sie gehörte
meinem Bruder. Jahrelang stand sie in der Bibliothek und dann - kurz vor seinem
Tod - war sie plötzlich verschwunden. Ich denke doch, dass es mein gutes Recht
ist zu erfahren, was ihr damit vorhabt.«
Mr
Bernhard seufzte. »Wir hatten leider keine andere Wahl - in diesem Augenblick sind
Lady Arista und Miss Glenda nach Hause gekommen.«
»Ja, und
da war ich auf jeden Fall das kleinere Übel, nicht wahr?« Tante Maddy lachte
zufrieden.
»Hauptsache,
Charlotte hat nichts davon mitbekommen«, sagte Leslie.
»Nein,
nein, keine Sorge. Sie ist wutschnaubend in ihr Zimmer gegangen, nur weil ich
das Wort Kartenschere gelegt habe.«
»Was, wie
jeder weiß, eine Schere ist, mit der man Karten durchschneidet«, sagte
Xemerius. »Warum auch immer. Darf in keinem Haushalt fehlen.«
Tante
Maddy kniete sich neben der Truhe auf den Boden und streichelte über den
staubigen Deckel. »Wo habt ihr die her?«
Mr
Bernhard sah mich fragend an und ich zuckte mit den Schultern. Wo sie nun schon
mal da war, konnten wir sie auch gleich in alles einweihen.
»Ich hatte
sie im Auftrag Ihres Bruders eingemauert«, erklärte Mr Bernhard würdevoll. »Am
Abend vor seinem Tod.«
»Erst am
Abend vor seinem Tod?«, echote ich. Das war auch für mich neu.
»Und was
ist drin?«, wollte Tante Maddy wissen. Sie hatte sich wieder aufgerichtet und
suchte nun nach einem Sitzplatz. Als sie nichts anderes fand, ließ sie sich
neben Leslie auf meiner Bettkante nieder.
»Das ist
ja die große Frage«, sagte Nick.
»Die große
Frage ist vielmehr, wie wir die Truhe aufkriegen«, sagte Mr Bernhard. »Denn
der Schlüssel verschwand mit den Tagebüchern von Lord Montrose, damals bei
diesem Einbruch.«
»Welcher
Einbruch?«, fragten Leslie und Nick wie aus einem Mund.
»Am Tag
der Beerdigung eures Großvaters wurde hier eingebrochen«, erklärte Tante
Maddy. »Während wir alle auf dem Friedhof waren, um Abschied zu nehmen. Ein so
trauriger Tag, nicht wahr, mein Lieber?« Tante Maddy sah zu Mr Bernhard
hinauf, der mit unbewegtem Gesicht zuhörte.
Mir kam
das vage bekannt vor. Soweit ich mich erinnerte, waren die Einbrecher damals
gestört worden und geflohen, bevor sie etwas hatten mitnehmen können.
Aber als
ich das Nick und Leslie erklärte, widersprach meine Tante.
»Nein,
nein, mein Engelchen. Die Polizei ging nur davon aus, dass nichts gestohlen
worden war, weil all das Bargeld, die Inhaberobligationen und der wertvolle
Schmuck noch im Safe lagen.«
»Was nur
dann Sinn ergeben hätte, wenn die Einbrecher es lediglich auf die Tagebücher
abgesehen hatten«, sagte Mr Bernhard. »Ich habe mir damals erlaubt, diese These
der Polizei zu unterbreiten, aber niemand hat mir geglaubt. Es gab zudem keine
Aufbruchsspuren am Safe, was bedeutet, dass die Diebe die Kombination gekannt
hätten müssen. Also nahm man an, Lord Montrose habe seine Tagebücher an einen
anderen Ort verlegt.«
»Ich habe Ihnen
geglaubt, mein Lieber«, sagte Tante Maddy. »Aber leider hatte meine Meinung zu
diesem Zeitpunkt kein besonderes Gewicht. Naja, das hat sie eigentlich nie«,
fügte sie mit kraus gezogener Nase hinzu. »Wie dem auch sei: Drei Tage, bevor
Lucas starb, hatte ich eine Vision und ich war überzeugt, dass er keines
natürlichen Todes gestorben war. Leider hielten mich alle wie üblich für...
verrückt. Dabei war die Vision so eindeutig:
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