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Gier, Kerstin

Gier, Kerstin

Titel: Gier, Kerstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smaragdgruen (Liebe geht durch alle Zeiten Bd 3)
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wenig, als Mr Bernhard - nicht ohne sich vorher noch einmal mit
einem Blick zu vergewissern, dass ich auch einverstanden war - den Deckel der
Truhe anhob. Vorsichtig falteten seine Finger mehrere morsche Samttücher
auseinander, und als er schließlich den Gegenstand freigelegt hatte, der darin
eingeschlagen gewesen war, stießen alle außer mir einen überraschten Laut aus,
so was wie »oh« und »ah«. Nur Xemerius rief: »Alter Falter!«
    »Ist das
etwa das, was ich denke?«, fragte Tante Maddy nach einer Weile immer noch mit
kugelrunden Augen.
    »Ja«,
sagte ich und strich mir müde die Haare aus dem Gesicht. »Das ist ein
Chronograf.«
     
    Nick und
Tante Maddy waren widerwillig, Mr Bernhard unauffällig und Leslie nur unter
Protest gegangen. Aber ihre Mutter hatte sich schon zweimal per Handy
erkundigt, ob sie a) eventuell ermordet oder b) vielleicht auch zerstückelt
irgendwo im Hyde Park lag, so gesehen blieb ihr keine andere Wahl. Vorher
jedoch hatte ich ihr schwören müssen, unseren Masterplan streng einzuhalten.
»Bei deinem Leben«, verlangte sie und ich tat ihr den Gefallen. Im Gegensatz
zu Tante Maddy verzichtete ich allerdings auf die Nationalhymne.
    Endlich
war Stille in meinem Zimmer eingekehrt und zwei Stunden später, nachdem meine
Mum noch den Kopf zur Tür reingesteckt hatte, auch im ganzen Haus. Ich hatte
sehr mit mir gekämpft, ob ich den Chronografen wirklich direkt heute Nacht
ausprobieren sollte. Für Lucas würde es keinen Unterschied machen, ob ich
heute oder erst morgen oder gar erst in vier Wochen zu unserer Verabredung im
Jahr 1956 springen würde, für mich hingegen würde eine zur Abwechslung mal
durchgeschlafene Nacht wahrscheinlich Wunder bewirken. Andererseits: Morgen
musste ich auf diesen Ball und dem Grafen von Saint Germain erneut
gegenübertreten und wusste immer noch nicht, was er im Schilde führte.
    Den
Chronografen in meinem Bademantel gehüllt, schlich ich mich die Treppe
hinunter. »Warum schleppst du das Ding eigentlich durchs ganze Haus?«, fragte
Xemerius. »Du könntest doch einfach aus deinem Zimmer springen.«
    »Ja, aber
weiß ich, wer im Jahr 1956 da geschlafen hat? Und dann müsste ich mich noch
durch das ganze Haus schleichen und riskieren, dass mich wieder jemand für eine
Einbrecherin hält ... Nein, ich springe direkt im Geheimgang, da laufe ich bei
der Landung nicht Gefahr, von jemandem gesehen zu werden. Lucas will vor
Ururururgroßonkel Hughs Porträt auf mich warten.«
    »Die
Anzahl der Urs ist jedes Mal eine andere«, stellte Xemerius fest. »Wenn ich
ihr wäre, würde ich ihn einfach fetter Vorfahr nennen.«
    Ich ignorierte
ihn und konzentrierte mich lieber auf die kaputten Treppenstufen. Kurze Zeit
später klappte ich das Gemälde ganz ohne Quietschen beiseite, denn Mr Bernhard
hatte den Mechanismus geölt. Außerdem hatte er sowohl zur Badezimmertür als
auch zum Treppenhausausgang hin Riegel angebracht. Ich zögerte zuerst, alle
beide vorzulegen. Denn wenn ich aus irgendeinem Grund gezwungen wäre, außerhalb
des Geheimgangs zurückzuspringen, hätte ich mich damit selber aus- und den
Chronografen eingeschlossen.
    »Drück mir
die Daumen, dass es funktioniert«, sagte ich zu Xemerius, als ich schließlich
niederkniete und meinen Zeigefinger in das Kläppchen unter dem Rubin schob und
fest in die Nadel drückte. (Man gewöhnte sich übrigens nicht an den Schmerz: Es
tat jedes Mal wieder höllisch weh.)
    »Würde ich
machen, wenn ich welche hätte«, sagte Xemerius noch, dann war er verschwunden
und mit ihm auch der Chronograf.
    Ich atmete
tief durch, aber die abgestandene Luft im Gang half nicht wirklich, das
Schwindelgefühl zu verdrängen. Etwas wackelig richtete ich mich auf, packte
Nicks Taschenlampe fester und öffnete die Tür hinaus zum Treppenhaus. Es
knarrte und quietschte wieder wie in einem Gruselfilmklassiker, als das
Gemälde zur Seite schwang.
    »Da bist
du ja«, raunte Lucas, der, ebenfalls mit einer Taschenlampe bewaffnet, auf der
anderen Seite gewartet hatte. »Eine Sekunde lang habe ich gefürchtet, es könne
ein Hausgespenst sein, pünktlich um Mitternacht...«
    »In einem
Peter-Rabbit-Pyjama?«
    »Ich habe
ein bisschen was getrunken, von daher ... Aber ich bin froh, dass ich recht
hatte, was den Inhalt der Truhe betrifft.«
    »Ja, und
glücklicherweise funktioniert der Chronograf auch noch. Ich habe eine Stunde,
wie verabredet.«
    »Dann komm
schnell, bevor er wieder losbrüllt und das ganze Haus aufweckt.«
    »Wer?«,
flüsterte

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