Gier, Kerstin
klug, aber ich möchte nicht wissen,
was die Zukunft für mich bereithält, sofern es nicht in dieser Angelegenheit
weiterhilft. Bis zu unserem nächsten Treffen habe ich siebenunddreißig Jahre
zu leben und die möchte ich so ... na ja .. . unbeschwert wie möglich verbringen. Verstehst du das?«
»Ja.« Ich
sah ihn traurig an. »Ja, das verstehe ich sogar gut.« Unter diesen Umständen
war es wohl nicht angebracht, ihm von Tante Maddys und Mr Bernhards Vermutung
zu erzählen, er sei keines natürlichen Todes gestorben. Das konnte ich 1993
immer noch tun.
Ich lehnte
mich im Sessel zurück und versuchte ein Lächeln. »Dann lass uns über die Magie
des Raben sprechen, Grandpa. Da ist nämlich etwas, das du noch nicht über mich
weißt.«
Aus
den Annalen der Wächter 2. April
1916
Parole
des Tages: Duo cum faciunt idem,
rwn est idem (Terentius)
London
steht weiterhin unter Beschuss, gestern sind die deutschen Geschwader sogar
tagsüber geflogen, die Boniben richten große Schäden im ganzen Stadtgebiet an.
Die Stadtverwaltung hat Teile der von der City und dem Justizpalast
zugänglichen Gewölbe als öffentliche Luftschutzkeller ausgewiesen. Daher haben
wir mit dem Zumauern der bekannten Durchgänge begonnen, die Zahl unserer Wachen
im Kellerbereich verdreifacht und außerdem die traditionellen Waffen durch
zeitgemäße ergänzt.
Wir
elapsierten heute erneut nach dem Sicherheitsprotokoll zu dritt aus dem
Dokumentenraum ins Jahr 1851. Wir hatten alle etwas zu lesen dabei und es hätte
sich friedlich angehen lassen, wenn Lady Tilney meine Bemerkungen über ihre
Lektüre mit etwas mehr Humor aufgefasst und nicht gleich wieder einen Grundsatzstreit
vom Zaun gebrochen hätte. Ich stehe zu meiner Meinung, die Gedichte dieses
Rilke sind blanker Unsinn, wirres Zeug und überdies ist es unpatriotisch,
deutsche Literatur zu lesen, wir befinden uns mitten im Krieg! Ich hasse es,
wenn mich jemand bekehren will, wovon sich Lady Tilney aber leider nicht
abbringen ließ.Sie las gerade eine abartige Stelle über verkümmerte Hände vor,
die feucht und schwer hüpfen wie Krötennach einem Regen, oder so ähnlich, als
es an der Türklopfte. Selbstverständlich hrecken,
daher
Frechheit Rätsel b
hi üb Lady zu kennen, auch wenn sie es hinterher
abstritt.
Aufklärung
niemand!!!!! Blut ohne se ein Meter fünfundachtzi
grün Jahr.
Randnotiz:
17.5.1986 Offensichtlich durch verschütteten Kaffee unleserlich gemacht. Die
Seiten 34 bis 36 fehlen ganz. Plädiere für die Einführung einer Regel, die
Novizen die Lektüre der Annalen nur unter Aufsicht gestattet.
D.
Clarksen, Archivar (schwer verärgert!!!)
5
»Och nö,
du hast ja schon wieder geheult«, sagte Xemerius, der mich im Geheimgang
erwartet hatte.
»Ja«,
sagte ich kurz angebunden. Der Abschied von Lucas war mir sehr schwergefallen
und nicht nur ich hatte ein paar Tränen verdrückt. Siebenunddreißig Jahre
würden wir uns nicht sehen, jedenfalls von ihm aus betrachtet, und wir fanden
beide, dass das eine unfassbar lange Zeit war. Am liebsten wäre ich jetzt
sofort ins Jahr 1993 gesprungen,
aber ich hatte Lucas versprechen müssen, dass ich mich erst einmal ausschlief.
Naja oder was man so ausschlafen nennt. Es war zwei Uhr morgens und um Viertel
vor sieben musste ich wieder aufstehen. Wahrscheinlich würde Mum einen Kran
benötigen, um mich aus dem Bett zu hieven.
Da von
Xemerius keine freche Erwiderung kam, leuchtete ich ihm mit der Taschenlampe
ins Gesicht. Wahrscheinlich bildete ich es mir nur ein, aber er sah ein
bisschen traurig aus und mir fiel ein, dass ich ihn den ganzen Tag sehr vernachlässigt
hatte. »Nett, dass du auf mich gewartet hast, Xemi... erius«, sagte ich mit
plötzlich aufwallender Zärtlichkeit. Ich hätte ihn auch gern gestreichelt, aber
das kann man mit Geistern nicht machen.
»Nur
Zufall. Hab mich in der Zwischenzeit mal nach einem geeigneten Versteck für das
Ding umgeschaut.« Er zeigte auf den Chronografen, den ich nun wieder in meinen
Bademantel wickelte und zuerst auf meine Hüfte und von dort unter meinen Arm
wuchtete. Gähnend schlüpfte ich durch die Öffnung hinaus ins Treppenhaus und
ließ das Bild von Ururur... vom fetten Vorfahren
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