Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gier, Kerstin

Gier, Kerstin

Titel: Gier, Kerstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smaragdgruen (Liebe geht durch alle Zeiten Bd 3)
Vom Netzwerk:
fixierte, runzelte sie konzentriert die
Stirn: »Grün, sagst du? Mal überlegen. Da 'ätten wir zum Beispiel ein Reitkostüm
für das späte 18. Jahrhundert aus grünem Samt, außerdem - oh! Das ist mir
superb gelungen - ein Abendensemble von 1922, nilgrüne Seide mit passendem 'ut,
Mantel und einer 'andtasche, rres chic. Und dann
habe ich einige Kleider von Balenciaga nachgearbeitet, die Grace Kelly in den
Sechzigerjahren getragen hat. Das Prunkstück ist ein Ballkleid in der Farbe von
Rosenblättern, das würde dir auch wunderbar stehen.«
    Sie nahm
das Perückengebilde vorsichtig hoch. Schneeweiß und verziert mit blauen
Bändern und Brokatblüten, erinnerte es mich ein bisschen an eine mehrstöckige
Hochzeitstorte. Es verströmte sogar einen Duft nach Vanille und Orangen.
Geschickt stülpte Madame Rossini mir die Torte über das Vogelnest auf meinem
Scheitel, und als ich das nächste Mal in den Spiegel blickte, erkannte ich mich
selber kaum wieder.
    »Jetzt
sehe ich aus wie eine Mischung aus Marie Antoinette und meiner Großmutter«,
sagte ich. Und wegen der schwarzen Augenbrauen auch ein klitzekleines bisschen
wie Räuber Hotzenplotz, der sich als Frau verkleidet hatte.
    »Unsinn«,
widersprach Madame Rossini, die die Perücke nun mit gewaltigen Haarnadeln
feststeckte. Wie kleine Dolche sahen sie aus, mit ihrem Endstück aus
glitzernden Glassteinen, die am Schluss wie blaue Sterne aus dem Lockengebilde
hervorblitzten. »Es geht um Kontraste, Schwanen'älschen, Kontraste sind das
Wichtigste überhaupt.« Sie deutete auf den aufgeklappten Schminkkasten, der auf
der Kommode stand. »Dazu noch das Make-up - smokey
eyes sind bei Kerzenlicht durchaus auch im 18. Jahrhundert en
vogue. Ein Hauch von Puder, er parfaitement! Du wirst
wieder die Allerschönste sein!«
    Was sie
natürlich nicht wissen konnte, sie war ja nie dabei. Ich lächelte sie an. »Sie
sind so lieb zu mir! Sie sind überhaupt die Allerbeste! Und für Ihre Kleider
müssten Sie eigentlich einen Oscar bekommen.«
    »Ich
weiß«, sagte Madame Rossini bescheiden.
     
    »Wichtig
ist es, dass du mit dem Kopf zuerst einsteigst und mit dem Kopf zuerst auch
wieder aussteigst, mein Schnuckelchen!« Madame Rossini hatte mich bis zur
Limousine begleitet und half mir beim Einsteigen. Ich kam mir ein bisschen vor
wie Marge Simpson, nur dass mein Haarturm weiß und nicht blau war und die
Autodecke glücklicherweise hoch genug.
    »Nicht zu
fassen, dass so ein schmales Personellen so viel Platz beanspruchen kann«,
sagte Mr George lachend, als ich meine Röcke endlich ordentlich auf dem Sitz
ausgebreitet hatte.
    »Ja, nicht
wahr? Mit diesen Kleidern müsste man eigentlich eine eigene Postleitzahl
beantragen.«
    Madame
Rossini warf mir zum Abschied ein lustiges Handküsschen zu. Ach, sie war so
goldig! In ihrer Gegenwart vergaß ich immer ganz, wie schrecklich mein Leben
doch eigentlich gerade war.
    Der Wagen
fuhr an und in diesem Moment wurde die Tür des Hauptquartiers der Wächter
aufgerissen und heraus kam Giordano geeilt. Seine rasierten Augenbrauen standen
senkrecht in die Höhe und unter seinem Selbstbräuner war er mit Sicherheit
leichenblass. Sein Mund mit den Plusterlippen klappte auf und zu, was ihm das
Aussehen eines vom Aussterben bedrohten Tiefseefisches gab. Glücklicherweise
konnte ich nicht verstehen, was er zu Madame Rossini sagte, aber ich konnte es
mir denken. Dummes Ding. Keine Ahnung von Historie und Menuetttanzen.
Wird uns mit ihrem Unverstand blamieren. Eine Schande für die Menschheit.
    Madame
Rossini lächelte zuckersüß und sagte etwas zu ihm, was den Fischmund abrupt
zuklappen ließ. Leider verlor ich die beiden aus den Augen, als der Fahrer in
die Gasse einbog, die zum Strand hinaufführte.
    Grinsend
lehnte ich mich zurück, aber während der Fahrt verflüchtigte sich die gute
Stimmung schnell wieder und machte Aufregung und Angst Platz. Ich fürchtete
mich so ziemlich vor allem: vor der Ungewissheit, den vielen Menschen, den
Blicken, den Fragen, dem Tanzen und am meisten natürlich vor einer neuerlichen
Begegnung mit dem Grafen. Meine Ängste hatten mich heute Nacht bis in meine
Träume verfolgt, wobei ich schon froh war, dass ich überhaupt eine
durchgeschlafene Nacht vorweisen konnte. Kurz vor dem Aufwachen hatte ich
besonders wirres Zeug geträumt, war über meine eigenen Röcke gestolpert und
eine riesige Treppe hinabgepurzelt, direkt vor die Füße des Grafen von Saint
Germain, der mir - ohne mich zu berühren - aufgeholfen hatte,

Weitere Kostenlose Bücher