Gier nach Blut
fremd für mich.«
»Sehr fremd?«
»Ja!«
»Dann ist ihr etwas passiert«, flüsterte die alte Ricca. »Ich habe es gewußt, und ich habe auch die verfluchte Wolke gesehen und das Gesicht darin.«
Elvira erbleichte. »O Gott«, flüsterte sie und wandte sich an mich.
»Glauben Sie das auch, John?«
Ich wollte nicht zu direkt sein und antwortete: »Sagen wir so. Wir können es nicht ausschließen.«
Die junge Frau überlegte. Dabei krampfte sie die Hände ineinander und schaute den Bewegungen der Finger zu. »Meinen Sie, daß Sie überhaupt nichts ausschließen können?«
»So ist es.«
»Auch nicht, daß man sie überfallen und zu einem Vampir gemacht hat?«
Ich nickte.
Damit mußte Elvira erst fertig werden. »John, das ist ja der reine Wahnsinn. Meine Mutter eine Blutsaugerin. Wie… wie… kann sie dann noch reden?«
»Vampire schaffen das.«
Die alte Ricca hatte sich nicht eingemischt. Ihrem Nicken war zu entnehmen, daß sie uns zustimmte.
Elvira schlug die Hände vor ihr Gesicht. Sie sprach dumpf gegen ihre Handflächen. »Vampire schaffen das. Vampire schaffen das… welch eine Behauptung, und das bei meiner Mutter!« Ihre Hände sanken wieder nach unten. Ich sah Tränen in ihren Augen. »Gesetzt den Fall, Sie haben recht, John. Was sollen wir tun?«
»Auf sie warten.«
»Und weiter?«
»Pfählen, vernichten!«
Nicht ich hatte die Antwort gegeben, sonder Ricca Marquez. Sie hatte mit harter Stimme gesprochen und dabei uns beide erschreckt. »Ja«, wiederholte sie. »Man darf keine Rücksicht mehr nehmen. Sie muß vernichtet werden.«
»Wo denn?« hauchte Elvira.
»Hier, mein Kind!« Die Alte schlug auf den Tisch. »Hier in dieser Wohnung, wo sie immer gelebt hat. Wir können und dürfen keine Rücksicht auf sie nehmen. Damals haben die Menschen auch keine Rücksicht genommen, als man sie tief in der Erde verscharrte. Vampire sind so. Vampire sind gefährlich, Vampire wollen Blut. Wenn es soweit kommt, was ich nicht hoffe, wirst auch du erkennen können, Kind, daß selbst deine eigene Mutter keine Rücksicht nehmen wird, wenn es um den Saft geht. Sie wird dein Blut trinken wollen, Kind, dein Blut…«
»Ja, ja, ja!« schrie Elvira und sprang auf. Der Stuhl kippte um. »Ich weiß es mittlerweile!«
»Beruhige dich wieder, Kind.«
»Kann ich nicht!«
»Das sollten Sie aber, Elvira.« Ich hob den Stuhl an und stellte ihn wieder hin. »Keiner von uns sollte jetzt die Nerven verlieren, auch wenn es noch so schwerfällt. Zudem rinnt uns die Zeit durch die Finger. Ihre Mutter wird bald hier erscheinen, Elvira, und dann müssen wir gewappnet sein.«
»Was sollen wir denn tun?«
Ich lächelte, obwohl es nicht paßte. Meine nächste Frage überraschte beide Frauen. »Haben Sie einen Wohnungsschlüssel für mich?«
»Was sollen wir haben?«
»Einen Schlüssel, Kind«, sagte Ricca.
Elvira nickte. »Ja, den haben wir. Den müssen wir auch haben. Aber was wollen Sie damit?«
»Die Wohnung verlassen. Den Schlüssel nehme ich nur als Sicherheit mit. Es wäre ja möglich, daß ich noch einmal in die Wohnung zurückkommen muß, um sie von innen zu verschließen. Und da möchte ich nicht nach einem Schlüssel suchen müssen.«
Ricca nickte ihrer Enkelin zu. »Gib John den Schlüssel. Wir vertrauen ihm.«
»Das ist sehr nett. Glauben Sie nur nicht, Ricca, daß ich die Flucht ergreifen will. Ich möchte Ihre Tochter nur hereinkommen lassen. Ich will auch erfahren, was sie vorhat.«
»Sie will unser Blut haben«, sagte Elvira. Sie legte mir den Schlüssel auf den Tisch.
»Das ist richtig. Aber sie ist nicht allein, wie Sie bestimmt wissen. Diese Person oder Unperson hat jemand hinter sich, der sie unterstützt. Und darüber will ich mehr wissen.«
»Das sind die Ruiz.«
»Auch richtig. Bisher weiß ich noch zuwenig von ihren Plänen. Es könnte sein, daß Ihre Mutter, falls sie dann wirklich zu einer Untoten geworden ist, redet. Sie dürfen nicht vergessen, daß noch jemand hinter ihr steht, die, um die es eigentlich geht.«
Elvira schüttelte den Kopf. »Das ist ja alles gut und schön«, sagte sie, »aber wie wollen Sie eine Blutsaugerin dazu bekommen, daß sie mit Ihnen redet?«
»Das lassen Sie bitte meine Sorge sein. So ohne Erfahrung bin ich auch nicht.«
Ricca legte ihre faltige Hand auf den Arm der Enkelin. »Bitte, Elvira, laß ihn.«
»Schon gut. Ich… ich war nur durcheinander.«
»Das gibt sich wieder«, sagte ich, als ich mich erhob. »Noch besteht Hoffnung.« Ich steckte den
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