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Gier

Gier

Titel: Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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war.
    Potorac sah die Platte erst, als Tebaldi darauftrat. Sie musste an den Tod denken. Das war ihr letzter bewusster Gedanke. Als es hinter ihrem Rücken zu klicken begann, war nur noch Platz für ein Bild, nicht für weitere Gedanken. Es war das Bild eines sehr kleinen Mädchens, das Nadia hieß.
    Benannt nach Nadia Comăneci.
    Der Knall bestand aus zwei Phasen. Die erste war so widerwärtig, dass die zweite Tebaldi völlig unvorbereitet traf. Sie kamen beide oben von der Empore. Es war ein dumpfer Knall. Er kam ihm irgendwie bereits körperlich vor, noch bevor mehrere innere Organe von der Empore herabgeschleudert wurden, ekelerregende Fleischstücke, Gedärme, die in widerwärtigen Serpentinen angeflogen kamen. Sie klatschten direkt neben ihm auf den Boden. Etwas, das aussah wie eine menschliche Leber, ließ ihn die zweite Phase des Knalls völlig verpassen.
    Allerdings nicht seine Auswirkungen.
    Er hörte ein lautstarkes Rasseln, wie von einer herabgelassenen Ankerkette, und plötzlich stand er von Angesicht zu Angesicht vor dem Ricurvo. Auch wenn von dessen Gesicht nicht mehr viel übrig war. Sein gebeugter Körper war extrem fest in eine Kette gewickelt, die bis hinauf zur Decke reichte, und erst als Tebaldi den Kopf hob, begriff er, dass der Körper an Ketten von der Decke herabgeschossen war. Er fuhr herum und stand von Angesicht zu Angesicht vor dem Sorridente. Von dessen Gesicht noch weniger übrig geblieben war. Beide Augen waren aus ihren Höhlen getreten und hingen auf die Wangen hinunter, aber das künstliche Lächeln in seinen Mundwinkeln war noch zu erkennen.
    Tebaldi klemmte zwischen den beiden fest. Er versuchte sich freizumachen, aber seine Füße wollten ihm nicht gehorchen. Es dauerte eine halbe Sekunde, bis er begriff, dass seine Schuhe auf der Platte im Fußboden festklebten.
    Da hörte er ein Ticken. In Sorridentes Händen begann ein rotes Licht zu blinken. Es waren Leuchtdioden, Ziffern auf einem Display. Sie zählten rückwärts.
    00: 10.
    00: 09, 00: 08.
    Er versuchte, den Apparat an sich zu reißen, doch er steckte fest in Sorridentes toten Händen. Festgeklebt. Wie auch die Arme an seinem Körper festgeklebt waren.
    Binde die Schnürsenkel auf, dachte er. Der Gedanke kam ihm spät.
    Sehr, sehr spät.
    Er beugte sich hinunter und riss und zog an den Schnürsenkeln seiner Schuhe.
    00: 07, 00: 06.
    In seinem Inneren hörte er das glucksende Hohngelächter von ’Ndrangheta und La Santa. Er bekam den ersten Schuh auf, riss den Fuß heraus.
    Dass es so schwer sein würde, dich zurückzulocken, Fabio Tebaldi, du Sohn eines Verräters, der es uns gedankt hat, dass er am Leben bleiben durfte, indem er Polizist wurde.
    Der andere Schuh. Das wilde Zittern seiner Hände.
    00: 05, 00: 04.
    Wir könnten dich nicht am Leben lassen, Tebaldi. Das verstehst du doch.
    In dem Moment gab er auf. Seine Hände entspannten sich, hörten auf zu zittern. Er schaute hinauf zu dem entstellten Leichnam des Sorridente und dachte: Ihr habt gewonnen.
    00: 03, 00: 02.
    Dann dachte er:
    Verdammt.
    00: 01, 00: 00.
    Dann war nichts mehr übrig.

5 – Gebrüll

Whiteboard
Den Haag, 12. April
    Felipe Navarro und Angelos Sifakis sahen sich zum ersten Mal seit ein paar Stunden um und stellten fest, dass die offene Bürolandschaft im Gebäude von Europol in Den Haag verlassen dalag. Sie waren bisher zu beschäftigt gewesen, um es zu bemerken.
    Sie hatten das neue digitale Whiteboard installiert. Es war eine geradezu phantastische Erfindung. Auf einem riesigen Bildschirm an der Wand konnte man Texte und Fotos beliebig verschieben, man konnte mit dem bloßen Finger Linien zeichnen, Mitteilungen aufsprechen, die sich in Textblöcke verwandelten, direkt mit den Fingern auf den Bildschirm schreiben, und egal, wie miserabel die Handschrift war, das Gekritzel wurde in einen lesbaren Text verwandelt. Natürlich mit automatischer Übersetzung ins English.
    Als sie nun meinten, mit ihrer Arbeit fertig zu sein, zeichnete sich ein eigenartiges Muster auf dem großen Bildschirm ab.
    Â»Was meinst du?«, fragte Navarro. »Was haben wir vergessen?«
    Â»Die Verbrecher«, antwortete Sifakis. »Wo sind die Verbrecher?«
    Â»Sie sind irgendwo hier«, entgegnete Navarro. »Wir müssen sie nur herausfiltern.«
    Â»Eigentlich gibt es zwei Gruppierungen«,

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