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Gier

Gier

Titel: Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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für mich herausgefunden«, sagte Wang Yunli.
    Â»Was herausgefunden?«, fragte Sara.
    Â»Dass meine Zwillingssöhne hierherkamen und verschwanden.«
    Zum ersten Mal wurde es absolut still im Wagen. Schließlich sprach Wang Yunli weiter: »Zu der Zeit wohnte ich in Bengbu. Mein Mann war gerade gestorben, und ich blieb allein mit meinen Zwillingssöhnen zurück. Aber wir kamen zurecht. Ich habe als Englischlehrerin gearbeitet und genügend verdient, um über die Runden zu kommen. Den Tod meines Mannes habe ich dank meiner Lieblinge Cheng und Shuang überwunden. Sie waren mein Ein und Alles. Das waren sie wirklich.«
    Erneut wurde es still im Auto. Kerstin und Sara wollten, dass Wang Yunli sich die Zeit nahm, die sie benötigte. Nach einer knappen Minute sprach sie weiter. Jetzt liefen ihr die Tränen die Wangen hinunter. Jegliche Zurückhaltung fiel von ihr ab. Sie ließ ihrem Schmerz freien Lauf.
    Â»Und eines Tages verschwanden sie einfach. Eines Tages kamen meine Zwillinge nicht mehr von der Schule nach Hause. Die Behörden zuckten lediglich mit den Achseln, für sie war es ein alltägliches Phänomen, sie wollten nichts dagegen unternehmen. Daraufhin habe ich Kontakt zu einer Menschenrechtsorganisation aufgenommen. Sie kannten das Problem ebenfalls. Das Kidnapping von Kindern war weitaus verbreiteter, als ich es geahnt hätte. Wahrscheinlich würde man sie an Pädophile im Westen, in Europa verkaufen. Die Organisation begann Nachforschungen anzustellen. Unterdessen wurde ich immer aktiver.«
    Â»In der Organisation?«, fragte Sara Svenhagen.
    Â»Ja«, antwortete Wang Yunli. »Ich hatte natürlich meine eigenen Beweggründe, aber mir wurde immer deutlicher, dass alles auf unserem maroden Gesellschaftssystem beruht. Mir wurden regelrecht die Augen geöffnet, und ich begriff, wie wichtig die absolute Einhaltung der Menschenrechte ist. Dass das Leben eines jeden Menschen wertvoll ist. Kein Kind darf entführt und verkauft werden!«
    Â»Der Organisation war es also gelungen, herauszufinden, dass Ihre Kinder nach Schweden entführt wurden?«, fragte Sara Svenhagen.
    Â»Ja, sie gehörten zu den allein gelassenen Kindern, die im Herbst 2005 nach Schweden kamen. Auch wenn es keine Unterlagen gibt, weiß ich genau, an welchem Tag sie herkamen. Am 12. Oktober 2005. Cheng und Shuang wurden für zwei Tage in einem Asylbewerberheim in Åkersberga untergebracht. Doch dann verschwanden sie erneut spurlos.«
    Â»Aber Sie und die Organisation hatten eine Spur?«
    Â»Ja, vor einem halben Jahr wurde ein nordeuropäischer Pädophilenring ausgehebelt, der sich aus Schweden, Norwegern, Dänen, Deutschen und Holländern zusammensetzte. Sie bevorzugten chinesische Jungs. Einige von ihnen tauchten auf Fotos auf, Cheng und Shuang jedoch nicht. Es gelang ihnen, ungefähr die Hälfte der Pädophilen festzunehmen, während sie die andere Hälfte lediglich einkreisen konnten. Wir wissen jedenfalls, dass ein schwedischer Mann dem Pädophilenring angehört. Und wir wissen, dass er in Hästhagen in Nacka wohnt. Aber mehr wissen wir nicht.«
    Â»Sie sahen sich also gezwungen, vor Ort zu recherchieren?«
    Â»Die Organisation besaß Mittel und Wege, mich nach Schweden zu schicken. Ich habe mich in eine schwarzarbeitende Putzfrau verwandelt, die sich auf das wohlhabende Wohnviertel Hästhagen spezialisierte. Als Sie mich ertappten, hatte ich bereits drei Computer durchsucht. Und den von Stiernmarck. Aber ich habe keine Spur von meinen Söhnen gefunden. Und als ich sicher war, dass Sie nicht länger vorhatten, mich festzunehmen, wollte ich wieder nach Hause fahren.«
    Â»Sie haben also aufgegeben?«
    Wang Yunli schaute an die Wagendecke hinauf. Die Tränen rannen über ihre Wangen. Sara legte den Arm um sie. Sie hielt sie umfasst und begegnete ihrem Blick.
    Â»Haben Sie Kinder?«, fragte Wang Yunli.
    Â»Ich habe zwei Kinder«, antwortete Sara. »Genau wie Sie.«
    Â»Was hätten Sie an meiner Stelle getan?«
    Sara Svenhagen hatte keine Antwort parat. All das Phantastische und Anstrengende, das es ausmachte, in der heutigen Welt Kinder großzuziehen, brach über sie herein. Isabel und Miguel. Die dunkle Isabel und der helle kleine Miguel.
    Wenn sie plötzlich einfach verschwinden würden.
    Sie würde es nicht schaffen, so stark zu sein wie Wang Yunli. Sie würde sich schlicht und

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