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Gier

Gier

Titel: Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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»Dem weißhaarigen Polizisten?«
    Söderstedt hielt inne und zog eine Grimasse. »Meine Überlegungen sind noch nicht ganz ausgereift«, antwortete er. »Aber er lag schließlich im Sterben. In dem Moment verfiel er letzten Endes in seine Muttersprache.«
    Â»Hm«, meinte Jutta Beyer, wobei es ihr gelang, eher hoffnungsvoll als skeptisch zu klingen. »Müsste er nicht zumindest ein Handy besessen haben, um twittern zu können?«
    Â»Ich bin mit der Twitter-Meldung irgendwie nicht weitergekommen«, sagte Söderstedt, fixierte noch einmal Zhang Sangs angenehmes elektronisch bereinigtes Gesicht und tauschte es gegen eine Twitter-Website im Internet aus.
    Jutta Beyer las laut: »Rumour from inner circle: BO will stop and greet crowd 100 m from south gate. Spread!«
    Â»Zhang Sang ist genau hundert Meter von der südlichen Absperrung entfernt auf die Straße gerannt«, sagte Söderstedt, »und er tat es ungefähr zehn Sekunden, nachdem die amerikanische Präsidentenlimousine vorbeigefahren war. Er konnte zwar nicht mit dem Präsidenten sprechen, aber er gab nicht auf und entschied sich für jemand anderen, der offiziell aussah.«
    Â»Und da standest du und sahst aus wie ein Beobachter von Europol«, sagte Jutta Beyer und lächelte erneut.
    Arto Söderstedt konnte nicht umhin, ihr Lächeln zu erwidern. »Er hat sich ganz einfach für den Einzigen entschieden, der noch verwirrter dreinblickte als er selbst«, sagte er.
    Â»Und kein Absender unter der Twitter-Mitteilung?«
    Â»Nein. Jedenfalls keiner, der sich identifizieren ließe. Es gibt eine Anzahl von Funktionen, die die Absenderadresse in einer Weise blockieren, die es unmöglich macht, den spezifischen Twitterer auszumachen. Klar, wenn man eine Bombe aus dem ›inner circle‹ hochgehen lässt, will man natürlich so anonym wie möglich bleiben. Besonders wenn man sich heimlich auf die Seite der Demonstranten geschlagen hat.«
    Â»Es könnte auch noch andere Gründe für seine Anonymität geben, oder?«
    Â»Glaubst du ernsthaft, ich hätte nicht daran gedacht?«
    Â»Ehrlich gesagt, habe ich nicht daran gedacht«, gab Jutta Beyer zu und wirkte etwas nachdenklich. »Ich dachte nämlich an Hyperhidrose.«
    Â»Na klar«, entgegnete Söderstedt in einem Anflug von Ironie. »Wer tut das nicht?«
    Â»Du hast vorhin gesagt, Scotland Yard hätte den Fall inzwischen fast ad acta gelegt ...«
    Â»Ich glaube zwar nicht, dass bereits ein offizieller Beschluss gefasst wurde, aber er kann jederzeit ergehen.«
    Â»Und dann wird sich Zhang Sangs Leiche immer noch in der Kühlbox befinden?«
    Â»Ich denke schon.«
    Â»Ohne obduziert worden zu sein?«
    Â»Es liegt schließlich kein Verbrechen vor«, meinte Söderstedt und zuckte mit den Achseln. »Warum sollte man dann die in allen Ländern außer in reinen Polizeistaaten äußerst knapp bemessenen Ressourcen für eine solche Sache verschwenden?«
    Â»Wie schaffst du es eigentlich, dich in einer fremden Sprache so erstaunlich gut auszudrücken?«
    Â»Ich bin erstaunlich gut.«
    Â»Und das Auto, das ihn überfahren hat?«
    Â»Du bist ziemlich auf Draht, meine Hochachtung.« Söderstedt begann diese Unterhaltung ernsthaft Spaß zu machen.
    Â»War also eine Zivilstreife?«, führte Jutta Beyer ihre Frage fort. »Gibt es irgendwelche Hinweise auf zu schnelles Fahren oder Ähnliches?«
    Â»Nein«, antwortete Söderstedt und klickte mit der Maus. »Ich habe die Vernehmung mit dem Fahrer hier. Ein Begleitfahrzeug der Metropolitan Police, nichts Besonderes. Zu der Zeit waren viele dieser Wagen für den Gipfel abkommandiert. Im Auto saßen zwei Verkehrspolizisten in Zivil. Der Fahrer hieß Mark Payne, der Beifahrer David Coleman. Payne musste mit Schock ins Krankenhaus eingeliefert werden, aber vorher habe ich noch sein Fluchen hinter meinem Rücken gehört. Es gibt nichts, was darauf hindeutet, dass Zhang Sangs Tod etwas anderes als ein Unfall gewesen sein könnte.«
    Â»Und dennoch glaubst du, dass es keiner war?«, fragte Jutta Beyer unschuldig und legte den Kopf schief.
    Â»Ich glaube, dass Zhang Sang etwas von mir wollte«, betonte Arto Söderstedt. »Das ist alles, was ich glaube. Und was von meinen polizeilichen Instinkten noch übrig geblieben ist, sagt mir, dass er mir etwas Wichtiges mitteilen

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