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GIERIGE BESTIE

GIERIGE BESTIE

Titel: GIERIGE BESTIE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Müller
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um aber auch den eigenen Narzissmus einmal stärker befriedigen zu können. Das ist der Beginn des „Circulus vitiosus“. Irgendwann wird das Verständnis schleierhafter, die Fragen intensiver und man argumentiert als Aktiver, Leitender, Anerkannter in dieser einzigartigen Krisensituation mit allen möglichen Dingen: zusätzlichen Einnahmen, frohlockenden Angeboten, rascher zurückgezahlten Krediten, schneller aufgebautem Reichtum, einer tollen Reise oder der nun endlich am Horizont aufziehenden Möglichkeit, der lang ersehnten Familie eine entsprechende Basis zu verschaffen. Kurzzeitige Beruhigung, Nachfrage, Bestätigung, erste Zweifel, noch längere Arbeitstage, die erste wirkliche Forderung.
    Jetzt sei es egal, wie viele Leute einen brauchen, wie viele Morde noch kommen, Briefbomben gebastelt, Prostituierte umgebracht, zusammenhängende Fälle erkannt werden; es sei unerheblich, wie wichtig Berichte sind, die noch rasch und schnell am Abend für den Chef geschrieben werden müssen. Das eigene Gesicht in den Hauptabendnachrichten kann schon lang nicht mehr über die Enttäuschung hinweghelfen, da jetzt zu Hause eine ganz eigene persönliche Problemstellung wartet. „Nein, jetzt brauche ich dich und du wirst mir zuhören. Ich bin heute einkaufen gegangen und vor mir ist eine alte Frau gestanden, die sich 20 Minuten nicht entscheiden konnte, ob sie Wurst oder Käse kaufen soll. Soll ich nun die neue Zeitschrift abonnieren? Das Kind in diese oder diese neue Schule geben oder ... Hörst du mir überhaupt zu? Interessiert dich denn noch irgendetwas, was uns beide, was unsere Familie betrifft?“
    Massive Kritik, die erste Träne.
    „Was für Probleme im Gegensatz zu diesen, welche ich tagtäglich habe.“ So oder ein bisschen anders könnte es sein, wenn der bedeutungsvolle Leiter des Sondereinsatzes, der Sonderaufgabe, der Sonderkommission, die so belanglosen Dinge des Partners zu Hause niederschmettert.
    „Kannst du diese Dinge nicht alleine regeln? Merkst du nicht, dass ich andere Probleme habe?“ Statt zu Hause Kraft zu tanken, sich auszuruhen und sich dem mehr als notwendigen kurzen Schlaf hinzugeben, wird diskutiert, gestritten, werden Meinungen und strittige Fragen wieder und wieder erörtert und doch nur hin- und hergeschoben. Die Skala der unterschiedlichen Betrachtungsweise und Wichtigkeit hinauf und hinunter geredet, und je mehr die Bedeutung am Arbeitsplatz nach oben gespült wird, umso mehr wird sie scheinbar zu Hause mit Füßen getreten.
    „Ha, habe ich das nötig? Erkennst du nicht, was ich alles mache? Nicht für mich, für dich, die Familie. Nein, mit Undankbarkeit konnte ich noch nie umgehen.“
    Und dann, so automatisch wie sich die Verhaltensweisen, einem Reißverschlusse gleich, leise aneinanderreihen, der erste Gedanke der persönlichen Einsamkeit.
    „Warum nur soll ich nach Hause gehen, wo ich kritisiert werde? Nein, es gibt Leute, die mich brauchen und schätzen. Dort will ich sein, dort fühle ich mich wohl. Ich habe es nicht nötig, kritisiert zu werden.“ Keiner will es zugeben, aber was nun langsam aber sicher zu wachsen beginnt, wie das bösartige Muttermal unter zu viel Sonne, ist die Einsamkeit. Bis zum falschen Zeitpunkt ein Mensch des anderen Geschlechtes bewundernde Worte spricht.
    Die Scheidung war kurz, aber besonders heftig. Einsicht gab es keine. Der Richter versucht verzweifelt zu erklären, dass juristische Aspekte zu prüfen sind, nicht die Bedeutung am Arbeitsplatz. Vielleicht sind es aber auch Alkohol und andere Formen von Drogen, die als kurzfristige kleine Helferlein herangezogen werden, um, zumindest für kurze Zeit, dem Stress, der Einsamkeit oder der inneren Unruhe, die an einem nun zu kleben scheinen, wie ein zerquetschter Kaugummi in einem Wollpullover, zu entfliehen.
    In einer der vier letzten großen Sonderkommissionen, die ich als Kriminalpsychologe begleitete und beriet, waren von Beginn bis zum Ende 30 Leute permanent involviert. Nach Abschluss des Verfahrens waren 28 davon ausgeschieden. Die Erkenntnisse von Jim Reese stammten aus den neunziger Jahren. Nun schrieben wir das Jahr 2005 und ich erkannte in zunehmendem Maße, dass für manche Spitzenmanager die komplexe Situation einer Task Force oder einer Sonderkommission ja fast schon zum Alltag gehört. Wenn nicht nur Telefonanrufe, sondern auch geschriebene SMS und E-Mails dem Betroffenen bis zum Nachtkästchen und teilweise auch noch bis tief in die Nachtstunden unter die Bettdecke nachflattern, wenn

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