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GIERIGE BESTIE

GIERIGE BESTIE

Titel: GIERIGE BESTIE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Müller
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extrem kryptisch damit umging und ich kam mir langsam selbst wie ein Spielball vor. Aber immerhin war das Gespräch schon so weit gereift, dass wir jetzt offen und ehrlich über die Daten sprachen, über die Eventualität der Auslösung der Katastrophe.
    „Was erwarten Sie denn, was Sie mit Ihrer Druckwelle der Erkenntnis und der Information auslösen, Herr Dox?“
    Aber anstatt mir zu antworten, schwieg er.
    „Glauben Sie denn ernsthaft, dass sich irgendetwas ändern wird, indem Sie jetzt einen Skandal heraufbeschwören? Glauben Sie nicht auch, dass Sie unter Umständen die Falschen treffen? Jene, die gar nichts damit zu tun haben.“
    Er schwieg noch immer, hatte sich jetzt ebenfalls umgedreht und blickte in den schwarzen See. In der Hoffnung, den richtigen Punkt und die richtige Tonlage gefunden zu haben, kannte ich jetzt kein Halt mehr.
    „Ja, Herr Dox, das werden Sie. Denn je mehr Sie Ihrem Zorn freien Lauf lassen, desto mehr Zorn werden Sie wieder dafür ernten. Ich habe Bauern gesehen, die ihr Feld abfackeln wollten und schlussendlich vor den Trümmern ihres Hauses gestanden sind. Ich habe eifersüchtige Ehemänner gesehen, die ihren Frauen symbolisch den Hals zudrücken wollten, um tatsächliche oder eingebildete Lügen nicht mehr zu hören und nach ein paar Minuten erkannten, dass es weder Lüge noch irgendeine andere Zweisamkeit mehr gibt, weil sie zu lange und zu fest zugedrückt haben, und ich habe Frauen gesehen, die in ihrem xanthippischen Gezeter und ständigen Vorhaltungen, metaphorisch gesehen, so lang auf ihre Partner und Ehemänner eingestochen haben, in der Hoffnung, doch endlich richtig behandelt zu werden und sich schlussendlich vollkommen alleine in ihrem mühsam ersparten und aufgebauten Hause wiederfanden. Der Vorwurf und die Anklage sind sehr selten der Weg zur Lösung und zur Gemeinsamkeit. “
    Er schwieg, starrte vor sich hin.
    „All jene, die Sie treffen wollen, werden zu diesem Zeitpunkt weit weg sein. Die persönliche Rache will entsprechend vorbereitet und im Endeffekt aber auch ausgekostet werden. In welchem geistigen Kolosseum wollen Sie denn in der ersten Reihe fußfrei sitzen, Herr Dox, um Ihrer Phantasie folgend ein paar außergewöhnliche Exemplare der menschlichen Spezies, die Ihnen wochen-, monate- und jahrelang psychische Schmerzen zugefügt hatten, in Flammen aufgehen zu sehen? Wem wollen Sie denn dann applaudieren? Egal, wie destruktiv Sie sich auch jetzt entscheiden, Herr Dox, die Destruktivität übersteigt ein Vielfaches dessen, worunter Sie gelitten haben. Es wird wahrscheinlich viele andere auch treffen. Es wird ein Flächenbrand werden, den Sie nicht löschen können und Sie haben vor allem keine Kontrolle mehr über das, was Sie tun.“
    Sein Kopf sank immer tiefer und mit den Händen stützte er sich am Geländer ab. Da ich nicht annahm, dass er ins Wasser sprang, legte ich noch eines drauf.
    „Wie viel Ehrgeiz haben Sie eigentlich verwendet, um in dieser Institution etwas aufzubauen? Wie viel Zeit haben Sie dafür aufgebracht, wie viel Liebe zum Detail haben Sie mitgenommen? Und das wollen Sie mit einem einzigen Paukenschlag zerstören? Wer oder was gibt Ihnen eigentlich das Recht, so zu handeln? Und was wollen Sie nach getaner Arbeit tun, wenn die Bombe gezündet, das Feuer entfacht, der Damm gebrochen ist und eine riesige Flutwelle ein paar Schuldige sowie tausende Unschuldige unter einer Welle des Hasses und der Vergeltung hinwegspült? Wollen Sie dann nach Hause gehen und Ihrem Söhnchen durch das Haar fahren, mit ihm das Abendgebet sprechen und ...“
    In diesem Moment erkannte ich, dass er nicht geschwiegen hatte, weil er mir zustimmte, sondern weil er sich beherrschte. Als er sich plötzlich aus seiner fast gekrümmten Haltung wie ein wildes Pferd aufbäumte, war mir klar, dass ich zu weit gegangen war. Jetzt war in der Tat ein Damm gebrochen, aber derjenige von Ello Dox.

neunundzwanzig
    Jetzt starrte er mich in einer geradezu unglaublichen Art und Weise an. Mir schien, dass seine Augen hervorquollen und seine Brille noch riesenhafter erschien. Er richtete sich weiter auf und erschien dadurch noch hünenhafter, als er ohnehin schon war. Er zog wie ein Wahnsinniger an der Zigarette, sodass ich das Gefühl hatte, dass nicht die Spitze, sondern die gesamte Papierhülle mit ihrem Inhalt zu glühen begann. Mit einem gewaltigen Lungenzug, der kein Ende nehmen wollte und mich, wenn auch nur kurzzeitig, an den symbolischen Versuch all jener Kinder erinnerte,

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