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Gift und Geld

Gift und Geld

Titel: Gift und Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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ich heiser.

ZEHNTES KAPITEL
     
    I ch tätschelte in brüderlicher
Weise Annabelle Jacksons honigblonde Locken, als ich an ihrem Schreibtisch
vorüberging.
    »Guten Morgen, Honigtöpfchen«,
sagte ich vergnügt. »Was nagt denn innerlich so an Ihnen?«
    Sie hob den Kopf und blickte
mich bestürzt an. »Wieso sind Sie eigentlich heute morgen so munter und fröhlich?« fragte sie verdutzt. »Nach dem, was gestern nacht passiert ist, hätte ich gedacht... Oder
vielleicht haben Sie auch nur seit Wochen keinen Menschen erschossen, und das
hat Sie völlig fertiggemacht. — Ist es das?«
    »Nun, nun«, sagte ich liebevoll,
»wenn das nicht die gute alte Annabelle Freud ist...!«
    »Für einen Augenblick war ich
mir wirklich im unklaren«, sagte sie mit gleichgültiger Stimme. »Entschuldigen
Sie, wenn ich Ihnen auf die Nerven gehe, aber der Sheriff wartet seit heute morgen um neun Uhr dreißig auf Sie — und jetzt ist es
zehn Uhr dreißig.«
    »Ich bin aufgehalten worden«,
sagte ich. »Und das ist die beste Entschuldigung, wenn man zu spät kommt.«
    »Oh«, sagte sie gleichmütig.
»Das hätte ich mir denken können. Jetzt begreife ich diese Heiterkeit und
Liebe-deinen-Nächsten-Tour heute morgen . Sie waren
damit beschäftigt, eine ganz spezielle Nächste zu lieben, und das ist noch
immer der Katzenjammer.«
    »Es macht einen mit der Zeit
nervös«, erklärte ich, »ich meine, in diesem Büro zu arbeiten und niemals Ihre
mit >Zutritt verboten< versehene Grenzlinie überschreiten zu dürfen.
Demnächst werde ich all mein Selbstvertrauen verlieren und mich womöglich
verheiraten.«
    »Kein Mädchen, das seine fünf
Sinne beisammen hat, würde Sie heiraten, Al«, sagte Annabelle leichthin. »Wer
könnte schon all diese einsamen Nächte ertragen?«
    Ich war noch dabei, mir eine
Antwort auszudenken, als ich in das Büro des Sheriffs trat. Alles, was ich
zunächst sah, war eine dicke Wolke von Zigarrenrauch, aber ich wußte, daß sich
irgendwo dahinter ein Sheriff aufhalten mußte.
    »Haben Sie sich nach den
anstrengenden Erfahrungen der letzten Nacht gründlich ausgeruht, Wheeler?«
bellte mir die vertraute Stimme entgegen.
    »Nein, Sir.« Ich sank in den
nächsten Stuhl. »Aber ich bin gerührt über Ihre Teilnahme.«
    Der Rauch lichtete sich ein
wenig, und ich konnte sein Gesicht sehen, das mich sofort wünschen ließ, der
Rauch wäre geblieben, wo er war.
    » Polnik hat mir bereits die ganze Geschichte erzählt«, sagte er. »Aber ich würde sie
gern noch einmal von Ihnen hören.«
    Ich erzählte sie auf dieselbe
Weise wie in der Nacht zuvor: daß ich Shafer aufgesucht
hatte, um ihm eine Reihe von Fragen zu stellen, und daß er mich aufgefordert
habe, ins Haus hineinzukommen. Ich wußte, daß Lavers nicht der Typ Sheriff war, der seine Untergebenen bei einem Einbruch ermutigt
hätte; und so tat ich seinem Magengeschwür nur einen Gefallen, indem ich nicht
die Wahrheit erzählte. Lavers hörte in eisigem
Schweigen zu, während ich ihm den ganzen Blödsinn von Shafers Verfolgungswahn auftischte — und wie er schließlich eine Pistole auf mich
angelegt und zwei Schüsse auf mich abgegeben habe, die mich glücklicherweise
verfehlten, und wie er mich dadurch gezwungen habe, ihn aus Notwehr zu
erschießen.
    »Keine Zeugen«, sagte Lavers . »In der Wand waren zwei Einschläge aus seiner
Pistole, die die Geschichte zu untermauern scheinen. Vermutlich bleibt mir
nichts anderes übrig, als die Sache in dieser Form zu glauben.«
    Ich konnte mich gerade noch
enthalten, ihm zu danken, und verblieb mit einem, wie ich hoffte, aufmerksamen
Ausdruck auf meinem Gesicht.
    »Haben Sie den Autopsiebericht über Kirkland gelesen?« fragte er nach einem langen Schweigen.
    »Nein, Sir«, sagte ich mit
zurückhaltender Höflichkeit.
    »Natürlich haben Sie dazu bis
jetzt keine Zeit gehabt«, sagte er beinahe wohlwollend. »Sie waren viel zu sehr
damit beschäftigt, Leute zu erschießen. Wenn Sie ein paar Minuten erübrigen
können, sollten Sie ihn lesen, Wheeler — er wird Sie interessieren.«
    Das war seine Vorstellung von
Scherzen, und ich wollte ihm seinen Spaß nicht verderben, und so blieb ich
sitzen, als gäbe es keinen besonders dringlichen Anlaß, in diesem Jahr
überhaupt etwas zu unternehmen. Lavers tippte eine
Weile mit seinem goldenen Drehbleistift lässig auf die Sehreibtischplatte, bis
selbst er die Spannung nicht mehr ertragen konnte.
    »Er hat keine Pulverspuren an
der Seite seines Kopfes gehabt«, sagte er

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