Gift
bereits gesagt, sie haben ihn kastriert. Ich kann Deadeye
jetzt schon hören, wie er beim Prozess argumentiert, meine Mandanten
hätten sich deshalb auf diese Weise an Hagopian gerächt, weil sie ihrer
Meinung nach wegen der auf der Deponie entsorgten Chemikalien
unfruchtbar geworden sind.«
»Deine Mandanten wurden infolge der Arbeit auf der Deponie
unfruchtbar?«
»Ja. Aber es war natürlich ein schleichender Prozess. Dass sie
bei der Arbeit ständig den giftigen Substanzen auf der Deponie
ausgesetzt waren, machte sich zunächst dadurch bemerkbar, dass ihre
Kinder ausnahmslos mit schweren Geburtsfehlern auf die Welt kamen. So
wurde zum Beispiel eines von Miguel Ramos' Kindern mit einem
verkümmerten Bein geboren, dem anderen fehlte eine Hand. Der kleine
Sohn von Narcio Padia ist verkrüppelt und hat alle möglichen
neurologischen Defekte, die von Ärzten an der Uniklinik auf die
Chemikalien auf der Deponie zurückgeführt wurden. Daraufhin habe ich
die drei Männer ärztlich untersuchen lassen, und dabei hat sich
herausgestellt, dass alle drei inzwischen unfruchtbar sind. Und das,
obwohl sie noch nicht einmal dreißig sind.«
»Und was ist mit Juan?«, fragte Samuel.
»Er hat, soweit wir bisher wissen, keine Schäden
davongetragen, und er hat auch keine Kinder. Weil er sich nicht an der
Klage beteiligt hat, wurde er auch nicht auf eine mögliche
Unfruchtbarkeit untersucht. Warum sie ihn unter Anklage gestellt haben,
ist mir ohnehin nicht klar, es sei denn, gegen ihn liegen belastende
Beweise vor, die im Ermittlungsbericht nicht aufgeführt sind. Ich
vermute eher, sie versuchen lediglich, ihn dazu zu bringen, seine
Neffen zu verpfeifen. Aber ich kann dir garantieren, das wird ihnen
nicht gelingen.«
»Wie wurden die Anklagepunkte erhoben?«, fragte Samuel.
»Wie meinst du das?«
»In Form einer Anklageschrift oder im Zug einer formellen
Anklageerhebung?«
»In einer formellen Anklageerhebung. Der D.A. konnte die Grand
Jury nicht dazu bewegen, gegen Juan Ramos lediglich aufgrund der
vorliegenden Fakten Anklage zu erheben.«
»Und wann bekommst du die Fotos?«, fragte Samuel.
»Morgen Vormittag. Dann werde ich sie mir zusammen mit denen
ansehen, die du gestern bei der Beerdigung gemacht hast.«
»Suchst du nach irgendetwas Bestimmtem?«, fragte Samuel.
»Nein, im Moment bin ich einfach nur auf der Suche nach
möglichen Anhaltspunkten, egal was. Ganz besonders interessieren mich
das Etikett des französischen Schneiders von Hagopians Anzug, der
Fußabdruck am Tatort und das Foto von diesem Insekt.«
»Von welchem Insekt?«, fragte Samuel.
»Laut Ermittlungsbericht klebte ein blauer Käfer am Hosenbein
des Toten. Deshalb werde ich morgen Nachmittag einen Entomologen in
Berkeley aufsuchen.«
»Wieso?«
»Du warst doch selbst draußen auf der Deponie. In Point Molate
gibt es keinerlei Leben. Deshalb muss das Insekt von woanders dorthin
gekommen sein. Wenn es uns gelingt, herauszufinden, woher es stammt,
kriegen wir möglicherweise nicht nur heraus, wo Hagopian umgebracht
wurde, sondern unter Umständen sogar, von wem.«
»Glaubst du denn, er wurde gar nicht auf der Deponie getötet?«
»Die Szenerie am Tatort wirkte in meinen Augen wie eine
Inszenierung, und es wurden auch keinerlei Spuren eines Kampfes
gefunden. Deshalb glaube ich, dass er woanders getötet und kastriert
und seine Leiche erst hinterher am Tor aufgehängt wurde.«
»Steht das auch im Ermittlungsbericht?«
»Nein, aber ich bin sicher, dass es so war. Dieser Käfer
könnte der Beweis dafür sein.«
»Ich kann mich noch erinnern, wie mir draußen auf der Deponie
plötzlich bewusst wurde, dass es dort keine Vögel gab. Und das Etikett
des französischen Schneiders? Wieso könnte das von Bedeutung sein?«
»Das weiß ich noch nicht. Aber es ist auf jeden Fall etwas,
dem wir nachgehen sollten.« Einen Moment lang schien Janak mit seinen
Gedanken ganz woanders.
»Aber eine vage Vorstellung wirst du doch schon haben«, sagte
Samuel.
»Ja, eigentlich ein ziemlich verrückter Zufall. Ich habe vor
einigen Jahren in Paris ein armenisches Mädchen kennengelernt.«
»Und?«
»Ich war total verknallt in sie, aber es ist nichts daraus
geworden. Sie war eine absolut außergewöhnliche Frau, und ich kann mir
nicht vorstellen, dass ich noch einmal jemanden wie sie kennenlernen
werde.«
»Wie hieß sie?«
»Lucine. Ich habe viel an sie gedacht und ihr oft geschrieben.
Aber sie hat auf keinen meiner Briefe geantwortet.«
»Und was hat Lucine mit
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