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Gift

Gift

Titel: Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gordon
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Croissants die
Morgenluft. In den Rinnsteinen wurde das Wasser mittels
zusammengerollter Lumpen in die gewünschten Bahnen gelenkt, und
Straßenkehrer in blauen Arbeitsjacken und mit filterlosen Gauloises
zwischen den Lippen fegten die Gehwege.
    Das Geschäft des Herrenschneiders befand sich neben dem von
Gucci. Obwohl er sich die Schuhe im Schaufenster nie würde leisten
können, betrachtete er sie einen Augenblick lang voller Bewunderung,
dann betrat er selbstbewusst das Geschäft und verlangte auf Englisch
nach dem Geschäftsführer.
    Die junge Frau hinter dem Ladentisch verschwand nach hinten
und kam wenig später mit einem distinguierten grauhaarigen Herrn in
einem eleganten grauen Nadelstreifenanzug mit einer konservativ
gemusterten blauen Seidenkrawatte und einem dazu passenden Einstecktuch
in der Brusttasche zurück. »Womit kann ich Ihnen dienen, Monsieur?«,
fragte der Mann zu Samuels großer Erleichterung auf Englisch. Ihm
entging jedoch auch der pikierte Blick nicht, den der Mann auf sein
einfaches khakifarbenes Sportsakko warf, das zwar keine Brandlöcher
mehr aufwies, aber dringend hätte gebügelt werden müssen.
    »Mein Name ist Samuel Hamilton. Ich komme aus San Francisco
und bin dort für eine große Tageszeitung tätig.« Er reichte dem Mann
seine Visitenkarte und zeigte ihm das Foto des Etiketts in Armand
Hagopians Jackett. »Ich stelle Nachforschungen über den Mann an, für
den Sie diesen Anzug angefertigt haben. Die Nummer sehen Sie hier.« Er
deutete auf die Zahl über dem Firmennamen. »Das müsste Ihnen
ermöglichen, den Anzug zu identifizieren.«
    Der Geschäftsführer nahm eine kleine Lupe aus der Jackentasche
und studierte das Etikett. »Wenn Sie mich für einen Moment
entschuldigen würden. Ich gehe in den Unterlagen nachsehen«, sagte er
schließlich und verschwand wieder nach hinten. Unterdessen betrachtete
Samuel die großen Stoffmusterkataloge, die auf niedrigen Tischen lagen,
und die Herrenanzüge, die säuberlich aufgereiht hingen. Auf der
gegenüberliegenden Seite des Raums waren in durchsichtigen
Kleidersäcken, unter denen die verwendeten Stoffe deutlich zu erkennen
waren, elegante Frauenkleider ausgestellt. Vor dem großen Schaufenster
standen ein großes dunkelgrünes Plüschsofa und ein kunstvoll
gedrechselter Couchtisch. Kunden konnten entweder in Modezeitschriften
oder Musterkatalogen blättern oder am Fenster sitzen und die Touristen
beobachten, die auf der belebten Einkaufsstraße von Geschäft zu
Geschäft schlenderten.
    Nach zwanzig Minuten kam der Geschäftsführer mit besorgter
Miene zurück. »Leider dürfen wir Ihnen laut Auftragsbestätigung
keinerlei Angaben zu besagtem Kleidungsstück oder seinem Käufer machen.«
    »Wem der Anzug gehört hat, weiß ich bereits«, erwiderte Samuel
enttäuscht. »Einem Mann namens Armand Hagopian.«
    »Warum stellen Sie mir dann überhaupt diese Fragen, wenn Sie
ohnehin wissen, wem der Anzug gehört?«, entgegnete der Geschäftsführer
verwundert.
    »Vielleicht hätte ich mich etwas klarer ausdrücken sollen.«
Samuel entschied, dass es unter diesen Umständen vielleicht das Beste
wäre, die Dinge beim Namen zu nennen. »Der Besitzer dieses Anzugs wurde
vor kurzem in der Nähe von San Francisco ermordet.«
    »Monsieur Hagopian wurde ermordet?«
    »Ja, und ich versuche herauszufinden, ob in Frankreich jemand
etwas mit seinem Tod zu tun gehabt haben könnte.«
    »Lassen Sie mich erst einmal sagen, dass ich über diese
Nachricht, wenn sie denn wahr ist, persönlich zutiefst bestürzt bin.«
Das Gesicht des Mannes wurde blass, und Samuel entging auch nicht, dass
der Bleistift, den er in seiner rechten Hand hielt, leicht zu zittern
begann. »Wenn allerdings Monsieur Hagopian, wie Sie behaupten, ermordet
wurde, sollten Sie sich vielleicht besser an die französische Polizei
wenden statt an mich. Wir dürfen Ihnen nämlich leider keine Auskünfte
über unsere Kunden erteilen.«
    Damit wandte sich der Mann von Samuel ab. Gleichzeitig steckte
er den Bleistift nervös hinter das Einstecktuch in seiner Brusttasche
und machte sich daran, einen Stoß Belege auf dem Arbeitstisch zu
sortieren. Samuel, der sich nicht so sang- und klanglos abspeisen
lassen wollte, ging um den Tisch herum, sodass er direkt vor dem Mann
zu stehen kam, doch der ignorierte ihn einfach und signalisierte damit
in aller Deutlichkeit, dass das Gespräch für ihn beendet war. Samuel
bedankte sich, und als er keine Antwort erhielt, rief er betont laut »Au revoir ,

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