Giftpilz
infrage
käme. Es musste irgendwo im Gang sein, in der Nähe der Tür. So wild, wie
Thomsen seine Wohnung wienerte und saugte, würde sonst bei jedem Putzmanöver
sofort der Alarm ausgelöst werden.
Riesle war sich auch schnell darüber im Klaren, dass er einen
Bohrhammer benötigte. Denn die Überwachungsgerätschaften mussten irgendwo
unauffällig in der Wand verschwinden. Logisch war auch, dass danach alles wieder
in den vorherigen Zustand gebracht werden müsste. Selbst der Putz der Wand
sollte genau die Struktur und den Anstrich wie zuvor haben. Andernfalls hätte
Thomsen sofort Verdacht geschöpft.
Und wenn Riesle bei der Installation den Bohrhammer zum Einsatz
brachte, war auch klar, dass die Gartmann nichts mitbekommen durfte.
Schwerhörig war sie ja nicht. Und außerdem über jeden Handwerkertermin bestens
informiert.
Er musste also einen Moment abpassen, in dem zumindest sie unterwegs
war – am besten mit Ehemann. Donnerstagnachmittag unternahmen die Gartmanns
ihren wöchentlichen Großeinkauf in Schwenningen. Für Riesle die Möglichkeit,
den kreischenden Bohrhammer zum Einsatz zu bringen.
Auch wenn die Lichtschranke vermutlich zuverlässiger gewesen wäre –
der Journalist entschloss sich zu einer weniger aufwendigen Installation. Ein
kleiner Bewegungsmelder sollte in der Wand von Thomsens Wohnungsflur
verschwinden – zwischen Kommode und Tür. Er entschied sich für ein PIR-Sensorsystem,
das bei Wärmestrahlung auslöste. Es kam nur ein Funkmodul infrage, das die
Verbindung zwischen dem Bewegungsmelder in Thomsens Wohnung und Riesles
Schlafzimmer herstellte. Ein genialer Einfall, fand er.
Zufrieden wollte er schon die Wohnung verlassen, als er den Drang
verspürte, zur Toilette zu gehen. Die Idee, ein sauberes WC zu benutzen,
bereitete ihm in doppelter Hinsicht Vergnügen. Zum einen war es für Riesle ein
wirklich seltener Vorzug, zumal die Redaktionstoilette in einem ähnlich beklagenswerten
Zustand wie seine private war. Zum anderen dachte er daran, dass Thomsen bei
dem Gedanken, Riesle könnte sein WC aufsuchen, wohl augenblicklich
Hautausschlag bekommen würde.
Die reinliche Atmosphäre inspirierte ihn sogar dazu, sich die Hände
zu waschen. Wann würde er schon mal so ein sauberes Waschbecken – frei von
Schimmel- oder Kalkflecken – wieder antreffen?
Riesle begutachtete noch einmal die Toilettenschüssel, schloss den
Deckel und berührte diesen dabei ganz vorsichtig mit dem mitgebrachten
Taschentuch. Er hatte sich vorher alles genau eingeprägt.
Dann nahm er zwei Papiertücher aus dem Spender – der phobische
Kommissar führte hier wohl keine Handtücher. Riesle trocknete sorgfältig die
Wassertropfen im Waschbecken und stopfte die gebrauchten Tücher danach in seine
Hosentasche, um auch ganz sicher jegliche Fingerabdrücke zu vermeiden. Der
Journalist schmunzelte in sich hinein.
Er war gerade dabei, die eigene Wohnungstür aufzuschließen, als
jemand ihn von hinten ansprach: »Dag, Herr Riesle. Hab g’hört, dass Sie
ausziehe wollet.«
Es war Gartmann, der gerade die Treppe herunterkam. Hatte der etwa
gesehen, wie Riesle aus Thomsens Wohnung gekommen war?
»Ich bin noch am Überlegen. Im Moment fühle ich mich eigentlich
wieder ganz wohl … Und mit meinem neuen Nachbarn verstehe ich mich sehr gut.«
»Ha, des freut mich für Sie. Gute Nachbarschaft isch halt die halbe
Miete.«
Er hob die Hand zum Gruß und nahm die Treppen zum unteren Stockwerk.
Riesle schnaufte erleichtert durch, bis ihm einfiel, dass der Verlust des
Schlüssels womöglich bald auffallen könnte.
»Moment mal!« Er lief hinter Gartmann her, plauderte mit ihm über
den Sinn der Kehrwoche, kündigte an, diese »gleich morgen« nachzuholen, und
verwies dann mit dem ältesten aller Betrügertricks auf einen Fleck an der
Flurwand. Während Gartmann den angeblichen Fleck in Augenschein nahm,
manövrierte Riesle den Schlüssel in den »Blauen Anton« des Hausmeisters.
Geschafft!
Als Claas Thomsen nach Hause kam, merkte er sofort, dass
etwas nicht stimmte. Ein merkwürdiger Geruch lag in der Luft. Keine andere Nase
hätte die erforderliche Sensibilität aufgebracht – seine schon. Wie ein
Spürhund nahm Thomsen Witterung auf. Im Wohnzimmer ließ der Geruch nach, Richtung
Bad verstärkte er sich. Ein Blick aufs Waschbecken: Irgendetwas war verändert.
Er senkte seinen Kopf zur Seite, scannte die Keramikoberfläche. Da hatte jemand
in seinem Handwaschbecken herumgerieben. Mit etwas, womit er es niemals
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