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Giftpilz

Giftpilz

Titel: Giftpilz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Alexander; Ummenhofer Rieckhoff
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gehören könnten. Aber wie soll Herr Riesle in Ihre Wohnung
eingedrungen sein? Und wie sollen wir ihm etwas nachweisen?«
    »Na, der Zeuge Gartmann …«, setzte Thomsen an.
    »… erscheint mir etwas wankelmütig und beeinflussbar. Was ist, wenn
er sich am Ende doch getäuscht hat? Sollte die Sache vor Gericht kommen, weiß
ich jedenfalls nicht, ob man ihm Glauben schenken wird. Wenn er aussagt wie
gerade eben, na dann gute Nacht. Er glaubt, etwas
gesehen zu haben. Das ist alles andere als eine klare Aussage. Vermutlich würde
es nicht mal zur Verhandlung kommen. Und für Sie, Kollege, wäre das – na ja … Außerdem:
Wissen Sie, wie der Riesle so etwas im Kurier ausschlachten würde?«
    »Und was unternehmen Sie jetzt?«, erkundigte sich Thomsen.
    »Ich würde Ihnen vorschlagen, dass Sie die Anzeige erst mal fallen
lassen. Halten Sie die Augen aber offen. Vielleicht schlägt dieser Riesle ja
noch mal zu …«
    Als Maurer und Fink das Haus verließen, stand Thomsen wie ein
begossener Pudel da. Es würde eine fürchterliche Nacht werden. Bis in die
frühen Morgenstunden würde er wieder putzen und wienern müssen, um den fremden
Schmutz aus seinen vier Wänden zu bekommen. Ganz zu schweigen von dem
Rußpulver, das die Beamten bei der kriminaltechnischen Untersuchung nach daktyloskopischen
Spuren überall verteilt hatten. Irgendwann hatte Thomsen den Eindruck gehabt,
die beiden machten sich daraus sogar einen Spaß.
    Aus der Wohnung der Gartmanns drang die sich überschlagende Stimme
der Hausmeisterin, die ihren Mann mit Vorwürfen überhäufte.

21. DIE KÜCHENZEUGEN
    Nach fünf Tagen in der Kurklinik befand Hummel sich
bereits in einem gespenstischen Trott. Das merkte er daran, dass er zahllose
Dinge automatisch tat. Ohne darüber nachzudenken, nicht aus freier
Entscheidung, aus purer Gewohnheit eben. Nach dem Wecken durch Svetlana
(inklusive des wirklich genau gleichen Tonfalls: »Aufstähn, jungär Mann! Alles
gutt?«) repetierte er noch im Halbschlaf sein »Alles suppärr!«. Morgen für
Morgen. Dann der Blick auf den Wecker, der wie immer fünf nach sieben anzeigte.
Daneben jeden Morgen die letzte Karotte, die er sich am Vorabend zum Großteil einverleibt
hatte und die über Nacht merklich gealtert war. Das Tappen zum Fenster, der
Blick hinaus, das Öffnen, der Schwall frischer Schwarzwälder Morgenluft, der
Gang ins Bad, der Griff in den Schrank zur neuen Unterwäsche, das Schlüpfen in
den Trainingsanzug, der Blick zum Fernseher, den er – auch das eine Folge des
Trotts – schon gar nicht mehr vermisste, das Öffnen der Tür.
    Sein erster Blick in den Flur. Sein zweiter auf den Flurboden –
dort, wo möglicherweise der Erpresser seine nächste Botschaft hinterlassen
würde.
    Dann ging er die Treppen hinunter, warf einen Blick auf die
Titelseite des im Foyer ausgelegten Schwarzwälder Kurier, um dann zu seinem
Tisch im Speisesaal zu traben, wo das übliche Frühstück auf ihn wartete. Und da
gab es Menschen, die das monatelang mitmachten!
    Auch am Tisch die gleiche Prozedur Tag für Tag – er traf fast immer
gegen sieben Uhr sechsundzwanzig dort ein: Zuckschwerdt war stets schon fast
fertig mit seinem Frühstück, murmelte etwas, von dem Hummel mittlerweile beschlossen
hatte, dass es »Guten Morgen« heißen sollte – obwohl man es auch als »Hau ab«,
»Die Welt geht unter« oder »Ich bring mich jetzt um« hätte deuten können. Der
Sachse war wegen seines Dialekts kaum besser zu verstehen, aber wesentlich
geselliger.
    Wann würde sich der Erpresser wieder bei ihm melden? Das war der
erste außerplanmäßige Gedanke des Tages. War diesem vielleicht klar geworden,
dass er sich geirrt hatte? Dass bei Hummel nichts zu holen war? Hatte ihn die
Polizeipräsenz abgeschreckt? Oder war es ganz im Gegenteil so, dass der
Erpresser die Polizeipräsenz mit Hummel in Verbindung brachte? Dass dies seine
Probleme also verschärfte?
    »… dadsäschlisch en Erpresser?«
    Hummel kniff die Augen zusammen. Irgendetwas stimmte nicht, passte
nicht zusammen. Er hatte gerade an den Erpresser gedacht, der Sachse aber
tatsächlich von ihm gesprochen.
    Vorsichtig schaute er den bunt gekleideten Mann mit Schnauzbart an,
der aus »Leipzschhh« stammte, wie er schon zig Mal erklärt hatte. Leipzschhh
sei ja bekanntermaßen Heldenstadt – das wisse man ja spätestens, wenn man ihn anschaue.
So ähnlich war die Güteklasse der Sprüche des Ossi-Komikers. Lustig wie
Honecker.
    »Wie bitte?«, fragte Hummel nach.
    »Globen Se

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