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Giftspur

Giftspur

Titel: Giftspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Holbe
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Zufahrtsstraße eingebogen war und sich entfernte. Ihr gefiel es, dass die Kriminalpolizei offenbar nicht mehr auf PS -Boliden angewiesen war, sondern mit Strom reiste. Solange es kein Atom- oder Kohlestrom ist, dachte sie sofort. Viel schwerer wog, dass sie die Ermittlerin nicht mochte. Mit dem Ärmel ihres Jeanshemds wischte Claudia sich über die Stirn, erleichtert, die beiden vorerst los zu sein. Doch sie würden wiederkommen, das hatten Polizisten nun mal so an sich. Claudia spielte nervös mit dem Anhänger ihrer Halskette, den sie zwischen die Lippen gesteckt hatte und mit der Zunge hin und her schob. Als sie ins Wohnzimmer gelangte, blieb sie wie angewurzelt stehen und wurde vor Schreck aschfahl. Der kleine goldene Anhänger fiel ihr aus dem Mund, und ihr Atem stockte, als sie die grobschlächtige Gestalt wahrnahm, die sich dort aalte, wo kurz zuvor noch sie selbst gesessen hatte.
    »Verdammt!«, entfuhr es ihr entgeistert.
    Der breitschultrige, in einen abgewetzten Parka und mit fleckigen gelben Gummistiefeln bekleidete Mann zog den schwulstigen Mund in die Breite. Das selbstgefällige Grinsen legte den Blick auf seine Zähne frei, zwischen denen eine hässliche Lücke klaffte.
    »Na, na, das ging aber auch schon mal höflicher«, erwiderte er und zog sich die bordeauxfarbene Dockermütze von der Glatze. Er knetete das Wollgewebe zwischen seinen zerfurchten Pranken. »Wo wolltest du denn hin?«
    »Vorhin?«
    »Klar. Beinahe hätte mich die Blondine entdeckt, sonst hätte ich mich bemerkbar gemacht. Aber wir müssen uns ja nicht immer nur in der Maschinenhalle treffen.«
    Der lüsterne Unterton, gepaart mit einem vielsagenden Zwinkern, jagte Claudia einen Schauer über den Rücken.
    »Haus und Büro stehen nicht zur Debatte«, entgegnete sie kühl, »das hat sich nicht geändert.«
    »Ach, komm schon, er ist doch jetzt nicht mehr da. Zeit, gewisse Dinge neu auszuhandeln, findest du nicht?«
    »Kein Bedarf, soweit es mich betrifft.«
    Der Mann, dessen stämmiges Wesen dem klassischen Bild eines Knechtes am nächsten kam, stemmte sich nach vorn und richtete sich ächzend auf. Langsam trat er einen Schritt auf Claudia Reitmeyer zu, dann einen weiteren. Versteinert, wie das Kaninchen im Bann einer Schlange, klammerte sich diese an die Lehne eines Stuhls, bewegte sich aber keinen Millimeter zurück.
    »Was hast du ihnen gesagt?«, erkundigte sich der Mann, blieb kurz stehen, musterte sie fragend und wandte sich dann in die entgegengesetzte Richtung. Seine Hände wanderten das Wohnzimmerregal entlang, suchten den Drehknauf des Getränkefachs, dann knarrte die Tür.
    »Ich musste ihnen den Kalender mitgeben, außerdem ein paar Papiere. Nichts Wichtiges.«
    »Wie willst du das denn beurteilen?«, erklang es spöttisch, im Hintergrund ertönte gläsernes Scheppern. Der Knecht entstöpselte eine kristallgläserne Karaffe und roch daran. Er verzog angewidert das Gesicht und entleerte den goldbraunen Inhalt in das Granulat einer Hydrokulturpalme.
    »Hätte ich Ihnen eine Büroführung anbieten oder am besten gleich den ganzen Computer mitgeben sollen?«, fragte Claudia gereizt. »So haben wir wenigstens bis morgen Zeit, uns um alles zu kümmern.«
    »Gott, wie naiv.
Um alles kümmern
«, äffte er sie nach und steuerte zielstrebig auf sie zu. Als sein Gesicht nur noch dreißig Zentimeter von ihrem entfernt war – sein Atem roch nach Alkohol, also musste er schon vorher am Tag etwas getrunken haben –, stieß der Mann, dessen Volumen beinahe das Doppelte der jungen Frau maß, grimmig hervor: »Ich bin hier fürs Kümmern zuständig, meine Liebe, vergiss das besser nicht. Und
Silence is golden,
das solltest du ebenfalls nicht vergessen! Mein Schweigen gibt’s nicht umsonst.«
    »Du lebst doch bereits wie die Made im Speck«, konterte Claudia, doch ihr Mut war auf ein kümmerliches Etwas zusammengeschrumpft, und viel würde sie ihm nicht mehr entgegenzuhalten haben. Leider wusste er das.
    Spöttisch lachte er auf und winkte ab. Dann griff er nach einer ihrer Haarsträhnen und ließ diese langsam zwischen zwei Fingern hindurchgleiten.
    »Ich rede nicht von Geld«, sagte er, und Claudia erschauderte ein weiteres Mal.
     
    Da der Hofladen, dessen Werbetafel die beiden Kommissare erst beim Verlassen der Zufahrtsstraße wahrgenommen hatten, sonntags geschlossen hatte, blieb ihnen nur eine Personenabfrage, um Vera Finkes Adresse in Erfahrung zu bringen. Während man sich in der Dienststelle darum kümmerte, steuerte Sabine

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