Giftspur
Verhältnis zwischen Ihrem Vater und Dr. Elsass?«
»Normal, denke ich.« Die Antwort kam schnell und wurde begleitet von einem Schulterzucken und einem unschlüssigen Blick.
»Dr. Elsass hat für Ihren Vater gearbeitet?«
»Fragen Sie ihn, und er wird das ein wenig anders darstellen.«
»Inwiefern?«
»Professor Doktor Doktor Elsass«,
sprach Claudia betont abfällig, »arbeitet für niemanden außer für sich selbst. Er tut ausschließlich Dinge, die seiner wissenschaftlichen Reputation dienlich sind. Klar so weit?«
»Hm. Gab es Rivalität zwischen den beiden?«
»So würde ich das wiederum nicht bezeichnen«, wandte Claudia kopfschüttelnd ein.
»Wie bezeichnen Sie es denn?«, fragte Angersbach gereizt. Wenn er eines nicht leiden konnte, dann war das Salami-Taktik.
»Ich habe keinen Begriff dafür«, erklärte die Tochter. »Nennen wir es meinetwegen eine Win-win-Situation. Mein Vater hatte einen erstklassigen Wissenschaftler an Bord, und Dr. Elsass konnte sich mit x Forschungspatenten brüsten.«
»Sie nannten ihn vorhin Victor«, sagte Sabine mit einem Pokerface, und ihr Blick haftete wie ein Magnet auf ihrem Gegenüber. Doch Claudia zeigte weder ein verräterisches Zucken noch sonst eine Reaktion.
»Wir kennen uns schon recht lange«, kam prompt ihre Antwort. Etwas zu schnell, beinahe als wäre sie vorbereitet, fand die Kommissarin.
»Sonst gab es gestern keine Kontakte?«, erkundigte sich Angersbach.
»Jedenfalls keine, von denen ich wissen sollte«, wich die junge Frau aus und erhob sich. Da war es wieder. Jener ausweichende Zynismus, der Sabine wie eine verzweifelte Stimme zuzurufen schien. Etwas wollte nach draußen, tief in Claudia Reitmeyers Innerstem, aber sie war noch nicht bereit, es aus eigenem Antrieb freizulassen. Oder irrte sie sich?
Claudia trat mit verschränkten Armen vor das Panoramafenster und ließ den Blick in die Ferne schweifen.
»Ich habe Ihnen alles gesagt, was Sie wissen müssen«, sagte sie nach einigen Momenten des Schweigens, noch immer mit dem Rücken zu den Kommissaren. »Darf ich jetzt bitte allein sein?«
»Eine Frage noch«, beharrte Sabine. »Wir wissen, dass Ihre Mutter vor geraumer Zeit verstorben ist. Gibt es aktuell jemanden im Privatleben Ihres Vaters?«
Ein unverständliches Murmeln erklang aus Richtung des Fensters, und Angersbach reckte mit angestrengtem Blick den Hals.
»Wie bitte?«
»Dazu möchte ich mich nicht äußern«, wiederholte Claudia Reitmeyer.
Volltreffer,
dachte Sabine triumphierend und sagte dann: »In Ordnung. Wir beenden unser Gespräch fürs Erste, aber wir werden Sie in Kürze wieder aufsuchen. Bitte denken Sie noch einmal über alles nach, ich lasse meine Visitenkarte hier, Sie können mich also jederzeit erreichen. Jeder Hinweis kann für uns von Bedeutung sein, vergessen Sie das nicht.«
Claudia Reitmeyer sagte nichts dazu, nahm die Visitenkarte jedoch an sich, als sie den Kommissaren in Richtung Tür folgte.
»Sie werden es ohnehin herausfinden«, begann sie dann leise, als Angersbach seinen Körper bereits durch den Türspalt ins Freie geschoben hatte und Sabine verharrte. »Was denn?«, fragte sie und schenkte Claudia einen aufmerksamen Blick.
»Sprechen Sie mit Vera Finke. Sie arbeitet im Hofladen, ihre Privatadresse habe ich gerade nicht im Kopf. Massenheim, glaube ich. Mehr möchte ich nicht dazu sagen.«
Sabine notierte sich diese Information und bedankte sich.
»Bevor wir gehen«, fragte sie dann, »was ist mit Ihrem Bruder?«
»Wer?«, fragte Claudia stirnrunzelnd, dann, hastig lächelnd: »Ach, Frederik. Was ist mit ihm?«
»Das war meine Frage an Sie«, beharrte Sabine, ein wenig verwundert über Claudias erste Reaktion. Diese schnaubte verächtlich. »Die meiste Zeit des Jahres über habe ich nicht die geringste Ahnung, wo er sich herumtreibt. Wir haben seit Wochen nichts voneinander gehört.«
Beim Verlassen des Grundstücks fiel Sabines Blick ein weiteres Mal auf die Windkraftanlagen, die sich wie gigantische Spargel in den tristen Himmel streckten. Sie erinnerte sich an einen feurigen Leserbrief, den sie zu dem streitbaren Thema gelesen hatte. Vom Aus des römischen Kulturerbes war dort die Rede, nun, da weiße Spargel wuchsen, wo vor zweitausend Jahren der Limes die Eroberer vor den Germanen schützte. Aufgefallen war der Kommissarin, dass dieselben Stimmen, sobald es um die neue Umgehungsstraße ging, erstaunlich stumm blieben.
Claudia Reitmeyer sah den Beamten nach, bis der Wagen auf die
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