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Giftspur

Giftspur

Titel: Giftspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Holbe
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Reitmeyer«, ordnete der Kommissar an, nachdem er sich kurz mit Sabine Kaufmann beratschlagt hatte. Sie wollten beide nicht länger als unbedingt nötig in der Wohnung herumstehen und bahnten sich rasch ihren Weg ins Freie, nachdem alle Aufgaben verteilt waren.
    »Mein Gott«, keuchte Sabine und sog hastig einige Züge eiskalter Winterluft ein. »Ich bin nicht zimperlich, aber der Gestank meiner letzten verwesten Leiche ist mir einfach noch zu präsent.«
    »Da braucht es bei mir kein langes Gedächtnis«, gestand Angersbach und wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher herbei als den erstbesten Geruch, der ihm in den Sinn kam. Alles war besser als ein toter Körper, selbst der zweifelhafte Duft nach kaltem Rauch und muffiger Wäsche. Dieser kam Ralph als Erstes in den Sinn, vermutlich, weil ihm diese Mixtur immer dann in die Nase stieg, wenn Janine ihre Zimmertür öffnete.
     
    Eberhardt Werner bewohnte die links neben Kötting gelegene Wohnung. Sabine Kaufmann stellte überrascht fest, dass die Räumlichkeiten trotz identischen Grundrisses deutlich heller und größer wirkten, die Einrichtung war modern, in hell-dunklem Kontrast und kubischen Formen. Ganz anders als das bunt zusammengewürfelte Stückwerk in der Wohnung des Toten, welches offensichtlich primär nach den Faktoren Funktion und Kostenminimierung ausgewählt worden war. Der einzig erkennbare bauliche Unterschied war, dass es zwischen Küche und Wohnbereich statt einer Wand eine Theke gab, was sich ebenfalls positiv auf Licht und Raum auswirkte. An den Wänden hingen zwei farbenfrohe Pop-Art-Kunstdrucke von Roy Lichtenstein.
    »Der Tag ist ohnehin gelaufen«, kommentierte Werner, ein kleiner, agiler Typ mit südländischem Einschlag, den Sabine auf Mitte dreißig schätzte, als die beiden Kommissare sich auswiesen. Nach dem üblichen Geplänkel, währenddessen Werner erklärte, dass er in der Finanzbranche tätig sei und auch von zu Hause arbeiten könne, wenn ihm danach sei, ließen die beiden sich chronologisch berichten, was vorgefallen war. Nicht ohne die Beschädigung seines Wagens in den Mittelpunkt zu stellen und zugleich seine totale Missbilligung von Köttings Lebenseinstellung zu unterstreichen, wiederholte sein Nachbar, was er den Beamten zuvor bereits knapp dargelegt hatte.
    »Was ist denn nun genau geschehen?«, erkundigte er sich anschließend neugierig.
    »Darüber dürfen wir noch keine Auskunft geben«, wehrte Sabine ab, doch das reichte Werner nicht.
    »Wenn ich mir Zutritt verschafft hätte, wüsste ich es doch auch«, widersprach er beharrlich. »Im Gegensatz zu diesem Hippie gehört mir die Wohnung hier, er hatte sie nur gemietet. Ein Anruf beim Hauseigentümer …«
    »Das beeindruckt uns nicht«, brummte Angersbach ungehalten, »denn Sie haben es nicht getan. Für Was-wäre-wenn-Spiele ist es zu spät.«
    »Dann habe ich Ihnen auch nichts mehr zu berichten«, erwiderte Eberhardt Werner trotzig und verschränkte die Arme vor der Brust. Sabine rollte mit den Augen, denn obgleich Angersbach in Prinzip recht hatte, hätte man das auch diplomatischer lösen können. Sie warf ihm einen prüfenden Blick zu. Ob er es gemerkt hatte?
    »Kötting saß tot im Wohnzimmer«, gab sie daraufhin preis, denn diese Information würde ohnehin in Kürze über die Medien verbreitet werden. Vorausgesetzt, Kötting war interessant genug dafür.
    »Na also.« Werner verzog das Gesicht, und Sabine vermutete, dass er sich das Bild oder den Gestank vorzustellen versuchte. »Wurde er etwa ermordet?«
    »Hatte er denn Feinde?«, gab sie zurück und hob dabei ihre Augenbrauen.
    »Nun, wir zumindest waren keine Freunde. Aber warum sollte ich ihn killen? Wegen meines Autos? Dann hätte ich wohl kaum die Polizei gerufen, oder?«
    »Soll ich Ihnen all diese Fragen nun beantworten?«, lächelte Sabine. »Sagen Sie es mir.«
    Angersbach verharrte ruhig und bewegungslos neben ihr. Insgeheim hoffte die Kommissarin, dass er es auch bleiben würde, denn ihr Draht zu Eberhardt Werner war nur dünn gesponnen.
    »Was soll ich Ihnen sagen?«, feixte dieser zurück.
    »Würden Sie sich als Feind bezeichnen?«
    »Quatsch. Wegen so einem Hampelmann …« Werner winkte verächtlich ab.
    »Gibt es Freunde, Kollegen oder eben Feinde, von denen wir wissen sollten?«
    »Von Freunden weiß ich nichts«, brummte Werner achselzuckend. »Ab und an hatte er eine Tussi bei sich, aber ich habe mich auch nicht sonderlich für ihn interessiert.
Live and let live,
Sie verstehen?

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