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Giftspur

Giftspur

Titel: Giftspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Holbe
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mir doch bitte die Adresse der Molkerei.«
    Frau Reitmeyer beschrieb der Kommissarin den Weg, denn es handelte sich auch hier um ein abgelegenes Gehöft.
    »Tannenhof«, schloss sie, »das Hinweisschild steht etwas versteckt. Sie müssen dem Feldweg ein ganzes Stück weit folgen, bis Sie die Häuser sehen können. Es ist aber alles asphaltiert.«
    »Okay, danke, ich fahre gleich mal hin«, nickte Sabine, und Claudia schickte sich an, aufzustehen.
    »Moment, bitte.«
    »Was denn noch?« Sie verharrte ungeduldig.
    »Wer war denn dieser Hüne, der mir vorhin praktisch die Klinke in die Hand gegeben hat?«
    Die Antwort kam einsilbig. »Gunnar Volz.«
    »Welche Funktion nimmt er hier ein?«, bohrte Sabine geduldig weiter und lehnte sich demonstrativ zurück. Sie hatte es nicht eilig, und Frau Reitmeyer schien ihre Beharrlichkeit überhaupt nicht zu gefallen.
    »Knecht, Lakai, Mädchen für alles«, gab diese zurück, »suchen Sie sichs aus.«
    »Offenbar hat ihm etwas gründlich missfallen, so wie er vorhin von dannen gezogen ist.«
    »Nun ja«, lächelte Claudia überheblich, »er gehört hier irgendwie zum Inventar. Er haust in einem kleinen Gebäude hinter den Stallungen, dort, wo früher Knechte oder Mägde gewohnt haben.«
    »Er
haust
da?« Sabine kratzte sich unschlüssig an der Wange.
Dienstboten im einundzwanzigsten Jahrhundert?
    »Er zahlt keine Miete, und für seine Verköstigung kommt er auch nicht auf«, erklärte Claudia schnippisch. »Wie würden Sie das denn bezeichnen? Die Vereinbarung hat er mit meinem Vater getroffen, aber wie es scheint, habe ich mich ebenfalls daran zu halten.«
    »Haben Sie deshalb Dr. Brüning konsultiert?«
    Claudia Reitmeyers Miene fror ein. »Wie meinen Sie das?«
    »Wir sind Ihrem Anwalt gestern begegnet«, erklärte Sabine mit einem wohligen Gefühl der Genugtuung. »Wie mir scheint, haben wir ein gutes Händchen für Zufallsbegegnungen.«
    »Ich sagte doch, hier geht es zu wie im Taubenschlag.« Claudia sprach emotionslos und kühl weiter: »Dr. Brünings Kanzlei ist zuständig für sämtliche Belange des Betriebs. Wie Sie sich wohl vorstellen können, gibt es derzeit Unmengen an Rechtsfragen.«
    »Und diese betreffen auch die Molkerei?«, hakte Sabine nach. In ihrem Unterbewusstsein hatte es einige Minuten gebraucht, bis sich aus dem Anwalt, dem Milchtransporter und Malte Köttings Arbeitsplatz ein interessantes Bild abzeichnete. Oder griff sie damit zu hoch?
    »Wieso denn das?«, kam es pikiert zurück, und etwas in Claudias Miene bestärkte die Kommissarin in dem Glauben, auf dem richtigen Weg zu sein.
    »Sie haben doch von allen Belangen gesprochen«, gab sie sich unbedarft, doch Claudia schwieg. Als sie endlich etwas sagte, hatte es nichts mehr mit dem Thema zu tun.
    »Darf ich jetzt bitte weiterarbeiten?«
    »Natürlich.« Sabine Kaufmann stand auf. »Ich finde selbst hinaus, lassen Sie sich nicht aufhalten.«
    Kurz vor dem Erreichen der Haustür drehte sie sich noch einmal um, gerade schnell genug, um zu sehen, wie Claudia ihr Handy hinter den angewinkelten Knien verschwinden ließ und eine Unschuldsmiene aufsetzte.
     
    Mit zusammengekniffenen Augen lugte Gunnar Volz hinter dem dunklen Schiebetor hervor, das auf alten Metallschienen vor der Maschinenhalle hing. Wie meist stand es eineinhalb Meter offen, gerade so weit, dass man bequem hindurchschlüpfen konnte und die runden Scheinwerfer des in der Mitte geparkten Traktors wie die wachsamen Augen eines Ungetüms aus seiner Höhle blicken konnten. Die Halle lag dem Haupthaus beinahe senkrecht gegenüber, war fünfzehn Meter breit und etwa halb so tief. Das düstere Innere bot Raum für einen Mähdrescher, zwei Zugmaschinen und zwei Anhänger, an den Wänden und in den Ecken ruhten außerdem zahlreiche Gerätschaften. Die Fahrzeuge waren bis auf den alten Traktor relativ modern, dennoch bevorzugte Gunnar in der Regel das in die Jahre gekommene Gefährt. Er hatte eine geschlossene Kabine, auf dem Sitz lag ein halb zerfetztes Lammfell; hier oben hockte der Knecht gern und rauchte eine seiner selbstgedrehten Zigaretten. Unsichtbar für die Außenwelt, hatte er so einen guten Überblick über das, was sich auf dem Hof abspielte und wer sich seiner Position näherte. Die knappe SMS von Claudia hatte ihn dazu bewogen, sein Versteck zu verlassen und sich dem Tor zu nähern.
    Er sah die Fremde, die sich ihm zielstrebig zu nähern schien, bevor er sie hörte. Immer lauter erklang nun das eilige Absatzklacken ihrer Lederstiefel,

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