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Giftspur

Giftspur

Titel: Giftspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Holbe
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einem zerknirschten »Verdammt« bedachte.
    »Herzberg und Moreno waren Beckers Aussage nach nämlich die dicksten Freunde«, fuhr die Kommissarin fort, »wobei ich, bei aller Sympathie, den Anruf Beckers mit Vorsicht bewerte. Er wirkte auf mich zwar wie eine ehrliche Haut, aber er steht in der Hackordnung nun mal unter den Reitmeyers. Ich möchte nicht wissen, wie Claudia ihn zur Schnecke gemacht hat, nur weil er mich in Köttings Büro gelassen hat. Im Grunde lieferte er uns mit diesen beiden Namen zwei Personen, die ihren Oberboss hassten. Würde das nicht jeder bereitwillig tun, um nicht selbst verdächtigt zu werden?«
    Angersbach zuckte unentschlossen die Schultern. »Wieso beide?«, hakte er nach.
    »Herzberg wurde ja bereits von Elsass benannt, und Moreno ist einer der Mitarbeiter, dessen Kündigung Reitmeyer unmittelbar vor seinem Tod eingeleitet hat.«
    »Ist Becker selbst denn auch verdächtig?«
    »Darüber muss ich nachdenken«, antwortete Sabine unentschlossen, »ich bin bislang lediglich skeptisch wegen seiner Motivation, uns zu helfen – die beiden Namen hätten ihm durchaus schon bei unserem Treffen einfallen müssen.«
    Mirco Weitzel räusperte sich und gab den beiden zu verstehen, dass er sich an seinen Computer verabschieden wolle. Sabine reichte ihm den Notizzettel mit den beiden Namen und bat darum, die Personenabfrage allem anderen vorzuziehen. Während die beiden miteinander tuschelten, schlenderte Angersbach über den verwaisten Gang in Richtung Toilette und sinnierte über seine Kollegin nach. Ein kleines Persönchen, das sich nur allzu gerne taff aufspielte, aber dann wiederum, bei Befragungen, so unerträglich einfühlsam tat, dass nur noch der sprichwörtliche Erdbeertee zur gelungenen Wohlfühlrunde fehlte. Doch wurde er ihr mit diesem vorgefertigten Bild tatsächlich gerecht? Steckte hinter der Fassade der zartbesaiteten Großstadtzicke nicht eine ganze Menge mehr? Ganz bestimmt, dessen war Angersbach sich mittlerweile sicher. Obgleich er bei ihrer ersten Begegnung exakt diesen Eindruck gewonnen hatte, strich er den Faktor »zartbesaitet« und »Zicke« aus seinem Repertoire. Er musste sich eingestehen, dass er sie um die Zeit beneidete, die sie ihm voraus war. Sie hatte ihren Polizeidienst einige Jahre früher begonnen und somit auch schneller den gehobenen Dienst erreicht. Das war bei den meisten jüngeren Kollegen Ralphs so gewesen, und bis dato hatte es ihn nur wenig gestört. Als Chefin würde er Sabine Kaufmann dennoch nicht hinnehmen, aber alles in allem waren der zweite und dritte Ermittlungstag doch recht harmonisch abgelaufen. Der Abend lief sogar auf ein gemeinsames Essen hinaus, wer hätte das gedacht?
    Alles halb so wild,
lächelte Ralph, als er sich in der Toilette die Hände wusch und anschließend mit nassen Fingern die zerzausten Haare richtete. Im Gegensatz zu Janine war Sabine Kaufmann doch lammfromm.
     
    Die Adressen der beiden Männer waren zügig ermittelt. Stefan Moreno wohnte in Berkersheim, dem nordöstlichsten Zipfel Frankfurts. Obwohl beide Kommissare ihn gerne zuerst befragt hätten, wollten sie doch auf die Ergebnisse der Laboranalyse der Milch warten. Außerdem lag die Adresse Philip Herzbergs weitaus verkehrsgünstiger, und der Tag neigte sich mit schnellen Schritten dem Ende zu. Sabine hatte Hunger, fror und sehnte sich nach einer heißen Dusche.
    »Die Ergebnisse liegen Ihnen über Nacht vor«, verkündete eine unbekannte Stimme am Telefon. Damit bekam Moreno den ersten Platz im Kalender für den nächsten Tag, und kurze Zeit später folgten die beiden der sich dahinschlängelnden Konrad-Adenauer-Allee im Bad Vilbeler Stadtteil Dortelweil.
    Mit geducktem Kopf musterte Angersbach vom Beifahrersitz aus die vorbeiziehenden Fassaden und wandte sich dann an Sabine: »Wie findet man hier denn sein Haus? Das sieht ja alles gleich aus.«
    »Das ganze Viertel ist in den Neunzigern neu entstanden. Der gesamte Hang hier war vor zwanzig Jahren noch völlig unerschlossen.«
    »Trotzdem nicht viel schöner als das, was sie aus der Gießener Kaserne machen«, erwiderte Angersbach mürrisch, »wenn auch vermutlich eine ganze Ecke teurer.«
    Philip Herzberg war ein unscheinbarer Mann mittleren Alters, Sabine hätte ihn wohl ein wenig älter geschätzt, wusste aber durch die Personenabfrage, dass sein Geburtsjahr 1958 war. Er wirkte sehr distanziert, mied allzu langen Blickkontakt und bewegte sich unsicher. Nervosität? Schuldbewusstsein? Im Kopf der Kommissarin

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