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Giftweizen

Giftweizen

Titel: Giftweizen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Schroll
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damalige Betreuerin Margit Leschke, mit der sie auch später noch öfter zu tun gehabt hatte und die jetzt kurz vor der Berentung stehen musste.
Judith Brunner griff zum Telefon und hatte Glück. Frau Leschke versprach, die alten Vorgänge umgehend, ohne erst den langen Dienstweg zu bemühen, in der Registratur zu suchen.

    ~ 39 ~
     
    Bis zur Stadt-Apotheke war es nicht weit. Judith Brunner nutzte den Spaziergang und berichtete Dr. Grede von Laura Perchs Bericht zur Aktenlage Holls und seiner Komplizen. Dann informierte sie ihn von ihrer Entscheidung, Lisa in die Friedhofsermittlungen einzubeziehen. »Inzwischen bin ich mir aber nicht mehr sicher, ob das richtig war. Ich mache mir Sorgen, ob sie mit der Belastung zurechtkommen wird.«
»Welche Belastung? Früh am Morgen mit einem Amateurornithologen zu sprechen, ist doch nun wirklich keine große Herausforderung!«
»Oh, das meine ich nicht. Da habe ich vollstes Zutrauen zu ihr. Ich meine Lisas Beziehung zu Werner Uhlig, einem wesentlich reiferen Mann. Sie ist doch noch so jung!« Wie sich das anhörte! Was redete sie da eigentlich? War Walter nicht auch wesentlich älter als sie?
Dr. Grede meinte gelassen: »Das soll es alles schon mal gegeben haben. Und die Welt dreht sich immer noch.«
»Uhlig ist Witwer und ich hatte den Eindruck, dass er seine Frau sehr vermisst. Außerdem hat er eine Tochter in schwierigem Alter«, gab Judith zu bedenken, und als Hans Grede sie verwirrt ansah, erläuterte sie: »Pubertät. Sie dürfte etwa zwölf Jahre alt sein. Der unvermeidliche Teenager-Weltschmerz kommt bestimmt noch mit erster großer Liebe, dann die Abnabelung vom – neu verliebten – Vater ... Das wird sicher recht anstrengend für alle Beteiligten.«
Doch Dr. Grede, selbst Vater einer Tochter, sah das nicht so problematisch: »Ach, Lisa ist stark, die schafft das schon.«
Judith musste lächeln, als sie die Worte hörte, die sie selbst vorhin zu Lisa gesagt hatte. Hoffentlich behielten sie recht.

Die Apotheke war in einem repräsentativen Stadthaus untergebracht, das im Erdgeschoss außerdem noch ein Sanitätsgeschäft beherbergte. Die zwei darüber liegenden Stockwerke waren mit Wohnungen ausgebaut.
Die Auslagen in den beiden rechts und links vom Hauseingang gelegenen Schaufenstern gehörten ohne Zweifel zu den eigenwilligsten Präsentationen im Gardelegener Handel. Auf der Seite des Sanitätshauses prangte eine schlappe braune Gummiwärmflasche zwischen einem Stützkorsett und einer rutschfesten Fußbank, beobachtet von einem bemalten Pappmaschee-Bernhardiner in realer Größe, der tatsächlich ein Fässchen mit einem roten Kreuz am Hals trug. Judith fragte sich jedes Mal, wenn sie ihn sah, welche Zeiten dieser Hund schon überlebt hatte und wie viele Lawinenopfer es in dieser Gegend zu retten gab? Auf der Seite der Apotheke konkurrierte ein Kreis Hustenbonbontüten mit wahllos verstreuten Schachteln verschiedener Hautsalben. Mahnende Appelle zur Gesundheitsvorsorge, die in diversen Bilderrahmen dazwischengestellt waren, ergänzten das Schaubild. Bis auf den Hund wechselten die ausgestellten Waren zwar gelegentlich, doch dem dekorativen Gesamtbild blieben die Gestalter stets treu.
Zwischen den Schaufenstern ging es über drei halbrunde Steinstufen zum Hauseingang. Eine schwere Holztür mit kleinen, schwarz hinterlegten Glasfenstern mit goldglänzenden, geschwungenen Ranken führte links in die Apotheke.
Dr. Grede ließ Judith Brunner den Vortritt; beide grüßten laut beim Eintreten. In dem hohen Verkaufsraum standen zwei Leute vor einem langen, blank polierten, hölzernen Verkaufstresen. Auf einer reich verzierten Bank an der Wand saß ein leidend aussehender, alter Mann, der mit trübem Blick auf ein bis unter die Decke reichendes, dunkel gebeiztes Apothekenregal starrte. Von einem grimmigen Apotheker war nichts zu sehen. Plötzlich erhob sich eine erleichtert aussehende Frau in weißem Kittel hinter der Theke und rief in den Raum: »Ich habe es doch noch gefunden, Herr Kunze. Stand ganz hinten! Wird ja so oft auch nicht verlangt.« Der Mann von der Bank erhob sich mühsam und ging zu ihr, nahm die dunkelgrüne Literflasche mit altmodischem Etikett in Empfang und verließ grußlos das Geschäft. Dann erschien schwungvoll aus einer schmalen Seitentür ein junger Mann, ebenfalls im weißen Kittel, aber im Gegensatz zur Apothekerin zwanglos wirkend. Er übergab mit einigen erklärenden Worten mehrere Schachteln mit Medikamenten an einen der am Verkaufstisch

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