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Gilbert, Elizabeth

Gilbert, Elizabeth

Titel: Gilbert, Elizabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Love Pray Eat
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behandeln?
Glaub nicht, was du in den Zeitungen liest, Liz. Diesem Land geht es sehr,
sehr gut.«
    Erst im Morgengrauen geht unsere Party zu Ende. Luca Spaghetti
chauffiert Deborah, Sofie und mich zurück nach Rom. Wir helfen ihm, wach zu
bleiben, indem wir bei Sonnenaufgang Weihnachtslieder singen. Silent night,
sainted night, holy night singen wir immer wieder in allen
uns vertrauten Sprachen.
     
    35
     
    Ich hab's nicht durchgehalten. Nach fast vier Monaten in
Italien passt mir keine meiner Hosen mehr. Nicht einmal die Klamotten, die ich
mir erst letzten Monat gekauft habe (als ich gerade aus meinen
»Zweitmonatshosen« herausgewach sen war), passen mir noch. Ich
kann mir nicht alle paar Wochen eine neue Garderobe leisten, doch auch wenn
ich weiß, dass ich bald nach Indien reise, wo die Pfunde nur so purzeln werden:
Ich kann in dieser Hose nicht mehr laufen. Ich halte es nicht mehr aus.
    Was alles völlig logisch ist, denn vor kurzem stieg ich in
einem schicken Hotel auf eine Waage und stellte fest, dass ich während meiner
vier Monate in Italien etwa elf Kilo zugenommen habe - eine wahrhaft
bewundernswerte Leistung. Etwa sieben von diesen elf Kilo musste ich allerdings
zunehmen, weil ich in den letzten Jahren infolge meiner Scheidung und meiner
Depression so abgemagert war. Die nächsten zwei Kilo legte ich zum Spaß zu. Und
die letzten zwei wahrscheinlich, um etwas zu beweisen.
    Und so kommt es, dass ich mich auf Shoppingtour und auf
der Suche nach einem Kleidungsstück befinde, das ich mein Leben lang als
kostbares Andenken aufheben werde: meine »Letztmonatsjeans aus Italien«. Die
niedliche junge Dame im Laden ist so nett und schleppt immer größere Größen an,
reicht sie mir eine nach der anderen kommentarlos durch den Vorhang, wobei sie
sich lediglich besorgt erkundigt, ob die denn nun
besser passe. Mehrere Male habe ich nun schon den Kopf durch den Vorhang
gestreckt und gefragt: »Entschuldigen Sie - haben Sie vielleicht eine, die ein
bisschen größer ist?« Bis mir die junge Dame schließlich eine Jeans mit einer
Bundweite reicht, die nun wirklich mein Auge beleidigt. Ich trete aus der
Umkleidekabine und präsentiere mich der Verkäuferin.
    Sie zuckt mit keiner Wimper. Sie fasst mich ins Auge wie
eine Kunstkuratorin, die den Wert einer Vase schätzt. Einer ziemlich großen
Vase.
    »Carina«, meint sie schließlich. Niedlich.
    Ich bitte sie auf Italienisch, mir ehrlich zu sagen, ob
ich in diesen Jeans nicht wie eine Kuh aussehe.
    »Nein, signorina«, wird mir
beschieden. »Sie sehen nicht wie eine Kuh aus.«
    »Dann vielleicht wie ein Schwein?«
    »Nein«, versichert sie mir ernst. Auch mit einem solchen
könne sie nicht die geringste Ähnlichkeit feststellen.
    »Vielleicht wie ein Büffel?«
    Allmählich wird das zu einer ausgezeichneten Wortschatzübung.
Natürlich versuche ich auch, der Verkäuferin ein Lächeln zu entlocken, doch sie
ist zu sehr auf Professionalität bedacht.
    »Vielleicht sehe ich ja wie ein Büffel-Mozzarella aus?«,
versuche ich es ein letztes Mal.
    »Okay, vielleicht«, räumt sie
mit einem winzigen Lächeln ein. »Vielleicht sehen Sie ja tatsächlich ein bisschen so aus
...«
     
    36
     
    Mir bleiben nur noch wenige Wochen in Rom. Bevor ich nach
Indien reise, möchte ich für die Weihnachtsfeiertage nach Amerika fliegen,
nicht nur, weil ich die Vorstellung, Weihnachten ohne meine Familie zu
verbringen, schwer erträglich finde, sondern auch, weil es die nächsten acht
Monate meiner Reise - nach Indien und Indonesien - nötig machen, dass ich
meine Koffer völlig neu packe. Nur sehr wenige Sachen, die man für das Leben in
Rom benötigt, kann man auch auf einem Streifzug durch Indien gebrauchen.
    Doch bevor ich nach Amerika zurückkehre, will ich nach
Sizilien reisen, um meinen Italienaufenthalt abzurunden. Denn wie sagte einst
Goethe? »Italien ohne Sizilien macht gar kein Bild in der Seele: Hier erst ist
der Schlüssel zu allem.«
    Also setze ich mich sonntags in den Zug und fahre an die
Stiefelspitze der italienischen Halbinsel. Dort besteige ich eine Fähre und
setze nach Messina über. (Messina ist eine beängstigende und argwöhnische
sizilianische Hafenstadt, die hinter verbarrikadierten Türen zu jammern
scheint: »Dass ich hässlich bin, ist nicht meine Schuld! Ich hab Erdbeben und
Flächenbombardierungen erlebt, und obendrein wurde ich von Mafiosi
vergewaltigt!«) Sobald ich in Messina bin, muss ich einen Busbahnhof (verrußt
wie eine Raucherlunge) ausfindig machen

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