Gilde der Jäger: Engelsblut (German Edition)
!«
Sie ließ Raphaels Hand los, rannte die letzten Meter und stürzte durch die Tür in die feuchte Umarmung dieses Ortes, der eindeutig für Wesen mit Flügeln geschaffen worden war. Sie nahm zwar wahr, dass Raphael hinter ihr eintrat, doch ihre Aufmerksamkeit galt ganz den üppigen Farnen mit ihren fein aufgerollten Wedeln, die aus Körben von der Decke herabhingen, den verschlafenen, pflaumenfarbenen Blüten der Petunien zu ihrer Rechten und den … »Begonien .« Damals, vor Uram, hatte sie selbst welche gehätschelt und gepflegt, bis sie stolz und üppig blühten. Diese hier hatten braune Blätter und jämmerliche Blüten. »Sie brauchen Pflege .«
»Dann musst du tun, was nötig ist .«
Sie warf ihm einen Blick zu, es juckte sie in den Fingern, zu den Gartengeräten zu greifen, die auf einem kleinen Bänkchen in der Ecke lagen. »Du hast einen Gärtner .«
»Das hier ist nicht sein Aufgabengebiet. Er hatte nur die Anweisung, dafür zu sorgen, dass die Pflanzen in der Zwischenzeit nicht sterben. Es wurde für dich gebaut .«
Sie brachte kein Wort heraus, zu eng und zu voll von Gefühlen war ihr die Brust. Stattdessen erkundete sie unter den geduldigen Blicken des Erzengels von New York das Geschenk, das er ihr gemacht hatte, und das so unendlich viel wertvoller war als die exklusivsten Kleider und die teuersten Juwelen. Wenn er ihr Herz nicht schon längst besessen hätte, hätte sie es ihm in diesem Moment zu Füßen gelegt.
Einige Zeit später erschien Montgomery mit einer dampfenden Kanne Kaffee, Toast mit Butter, kleinen Schälchen mit Obstsalat und einer Auswahl winziger Gebäckstücke. Der Butler, wie immer mit viel Liebe zum Detail gekleidet, schien nicht im Mindesten überrascht, eines der mächtigsten Wesen der Welt dabei anzutreffen, wie es für Elena einen Zweig herunterdrückte, damit sie welke Blüten von ihm abschneiden konnte. »Guten Morgen, Sire, Gildenjägerin .«
»Guten Morgen, Montgomery .« Raphael nahm den Kaffee von seinem Butler entgegen, und da begriff sie es.
Zu Hause.
Sie war zu Hause.
Zwei Stunden später quoll ihr Herz vor stillem, erfülltem Glück immer noch über, als sie sich auf den Weg zu Sara machte, bevor das Treffen mit Jeffrey stattfinden würde. Ihr Telefon klingelte. Sie landete auf dem nächsten Dach, nahm ab und hörte die Stimme ihres Vaters. »Wir können uns erst morgen treffen « , sagte er ohne Umschweife. »Es ist ein unerwartetes geschäftliches Problem aufgetreten, um das ich mich heute noch kümmern muss .«
Sie hätte es dabei belassen sollen, doch der verstoßene Teenager in ihr holte zum Schlag aus. »Die Familie kommt immer erst an zweiter Stelle, nicht wahr, Jeffrey ?«
Er sog hörbar die Luft ein, und für einen Moment hatte sie das verwirrende Gefühl, ihn verletzt zu haben. Doch als er sprach, rammte er ihr das Messer ins Herz. »Familie ist wohl kaum dein Spezialgebiet, Elieanora .«
Nein – dafür hatte er gesorgt.
Sie ließ das Telefon zuschnappen und flog wieder ab, ihre Laune war verdorben. Zu allem Überfluss war Sara nicht in der Gilde. Frustriert und mit dem dringenden Bedürfnis, überhaupt etwas zu tun, beschloss sie, zu Ignatius’ Apartment zu fliegen. Es war zwar unwahrscheinlich, dass sie dort etwas finden würde, was sein mehr als seltsames Verhalten erklären konnte, aber …
Eine Feder in himmlischem Blau mit leichten Silberrändern taumelte vor ihr herab.
Die Freude war so groß, dass sie die immer wiederkehrenden Echos von Jeffreys Hohn abschütteln konnte. Sie griff nach der Feder und verrenkte sich den Hals, um ihren Besitzer ausfindig zu machen. Aber das würde ihr nur schwerlich gelingen: Sie war längst nicht flink genug, um sich in einem Schwebflug umdrehen und einen Blick auf den Engel erhaschen zu können, den Galen den Schmetterling nannte.
Sie ließ die Feder in ihre Tasche gleiten, wo sie auch die anderen aufbewahrte, die sie Zoe schenken wollte, und flog weiter. Wenige Augenblicke später sah sie aus den Augenwinkeln etwas Blaues.
»Seit wann bist du hier ?«
Statt einer Antwort legte Illium Arme und Flügel ganz eng an den Körper und stürzte sich wie ein Stein auf die Wolkenkratzer hinab. Nur mit Mühe konnte sie einen Schrei unterdrücken, denn sie war sich sicher, dass er es ganz besonders lässig fand, als er nur um wenige Millimeter ein spitz zulaufendes Dach verfehlte. Sofort schoss er wieder in die Höhe und schwebte mit nacktem Oberkörper vor ihr.
»Ach Ellie .« Seine Augen, die an die
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