Gilde der Jäger: Engelsblut (German Edition)
sie und zeigte auf die Leiche. »Und ich habe Ihren herausgefiltert. War sonst noch jemand am Tatort ?«
Er deutete nach oben. »Nur Illium. Und der ist nicht gelandet .«
Gut, dachte sie. Das bedeutete, dass der zarte Hauch von Gift zu dem Mörder gehören musste. Sie konzentrierte sich auf dieses Element und begann, die einzelnen Noten auseinanderzunehmen, um ein deutlicheres Profil zu erhalten.
Oleander, schwer und süß, mit einer Spur von dunkelstem Harz in leichter Disharmonie, darunter ein Hauch von aufplatzenden, fruchtigen roten Beeren. Doch der Geruch nach Oleander in voller Blüte überlagerte alles, er war so unfassbar berauschend.
Diesen Gedanken hatte sie im Kopf, als sie der Spur folgte. Nur am Rande ihres Bewusstseins nahm sie wahr, dass Venom bei dem Toten blieb, während Illium über ihr flog. Der Duft schlängelte sich durch den Central Park, als hätte der Mörder einen Spaziergang gemacht. In diesem Fall würde sie seine Spur am See verlieren, doch zu ihrer Überraschung war er nicht ins Wasser gegangen.
Stattdessen konnte sie seine Spur bis zur Ecke der Fifth Avenue weiterverfolgen, wo das sinnliche Flüstern des Oleanders so plötzlich abriss, dass er nur in ein Taxi gestiegen sein konnte. Sie atmete tief durch und winkte Illium zu sich herunter. »Die Spur ist kalt « , sagte sie, als er mit silberblauer Anmut landete. »Kannst du mich auch zu der anderen Stelle führen? Vielleicht hat er sie ja observiert .«
Erst als sie den Hudson überquerten, fiel ihr auf, dass sie auf Raphaels Anwesen zuflogen. Da sie annahm, der Begräbnisort läge irgendwo dahinter, war sie tief erschüttert, als Illium abtauchte, um am Rand des Waldes zu landen, der das Herrenhaus von Michaelas Unterkunft in Amerika trennte. Er blieb an Ort und Stelle, während sie hineinging. Erzengel?
Leicht rechts, etwa fünfzig Meter vor dir.
Raphael streckte ihr die Hand entgegen, doch sie ergriff sie nicht, sondern starrte auf das rechteckige, sarggroße Loch in der Erde. »Wann genau « , fragte sie, »hattest du vor, mir mitzuteilen, dass er auf dem Gelände unseres Hauses begraben wird ?« Sie hatte Verständnis dafür, dass er seine Vampire fest im Griff haben musste, und dass seine Methoden ihr manchmal grausam erschienen, aber das hier …
Chromblaue Augen sahen sie an, leuchteten selbst in den Schatten der Nacht. »Ich musste ihn nah genug bei mir haben, um ihn mental beobachten zu können .«
»Wie viele noch ?« , flüsterte sie mit einem üblen Gefühl im Bauch. Sie war schon mehrmals durch diesen Wald gelaufen, wie leicht hätte sie über jemanden stolpern können.
»Keinen, Gildenjägerin .«
Das Eis in seiner Stimme hätte sie in Angst versetzen können, doch dafür war sie zu wütend. »Du weißt, dass es falsch ist, so etwas vor mir geheim zu halten, Raphael. Und du hast es auch noch absichtlich getan .« Sein Gesichtsausdruck änderte sich nicht, doch sie wusste ohne jeden Zweifel, dass sie recht hatte. »Warum ?«
»Weil du ein sterbliches Herz hast .« Gnadenlos.
Sie erzitterte unter dem verbalen Angriff. »Ist das so verkehrt ?«
»Es ist keine Frage von richtig oder falsch « – metallisches Blau, so unfassbar unmenschlich – »sondern eine Tatsache. Es hätte dich so sehr erschüttert, dass du hier nicht mehr hättest leben können .«
Es war nicht weniger wahr, nur weil er es mit solch kalter Klarheit erkannt hatte. Wut rang in ihr mit anderen, tieferen Gefühlen, und sie brauchte fast eine Minute, bis sie sich so weit unter Kontrolle hatte, dass sie sagen konnte: »Ich möchte dich um etwas bitten, Erzengel .« Er hatte ihr sein Herz geschenkt, ihr Macht über ihn gegeben, doch bis jetzt hatte sie diese Macht nie eingesetzt.
»Was ist dein Wunsch, Gildenjägerin ?« So förmlich, so distanziert.
Der Teil von ihr, der immer noch das von Mutter und Vater verlassene Kind war, hatte Angst davor, ihn zu sehr unter Druck zu setzen, Angst davor, dass auch er sie verlassen würde. Es war ein widerwärtiges Gefühl – doch dies war ein Standpunkt, den sie verteidigen musste. »Streiche diese Art der Bestrafung von der Liste. Es gibt doch sicher andere Möglichkeiten .«
Reglos wie eine Statue stand Raphael für einen langen, langen Augenblick vor ihr. »Ist das ein Gefallen, den du einforderst, Jägerin ?«
»Nein « , sagte sie langsam und bedacht, »ich bitte dich als deine Gemahlin. Das hier … ist es nicht wert, unsere Beziehung damit zu belasten .«
Der Erzengel von New York schloss
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