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Ginster (German Edition)

Ginster (German Edition)

Titel: Ginster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Kracauer
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seine Kraft und bäte ihn nur, sie in anderer Richtung zu verwenden: Morck behielt die Richtung bei und verzichtete auch nicht auf den feindseligen Laut. Besonders furchterregend sah er aus, wenn er sich Butter aufs Brot schmierte. Die Butter stammte vom Land wie das Ho, dessen er sich im Verkehr mit Ackergäulen bedienen mochte, die zu lahm zogen. Trotz seiner Unbotmäßigkeit stand er sich nicht so schlecht mit den Vorgesetzten wie einige junge Abiturienten, die übrigens nur das Notexamen hatten. Die Leichtigkeit des Examens machte sich durch ihren späteren Heldentod bezahlt, der außerdem die schlimmen Folgen der Bildungslücken von selbst tilgte. Da weder die Abiturienten noch Knötchen oder der Unteroffizier die Lücken bemerkten, blieb allein die Bildung übrig, die ihre Besitzer zu höheren Stellen im Leben berechtigte und die Nichtbesitzer von Berechtigungsscheinen mehr verletzte als Morcks Ho. Göbel, einer der Jungen, wurde von Knötchen zweimal zum Reinigen der Aborte benutzt. »Ich muß mir das doch nicht gefallen lassen«, beklagte er sich bei Ginster, der zustimmte, um das ihm geschenkte Vertrauen nicht zu enttäuschen. Der Gedanke an einen Ausgehanzug beschäftigte Göbel unausgesetzt. Er war lang und ausdruckslos wie ein Interpunktionszeichen, das nichts trennt. Nach dem Krieg wollte er noch weiter wachsen; in das Geschäft seines Vaters hinein. Die Aborte blieben trotz der Bildung verstopft. Ginster entging ihnen, weil er zum Unterschied von den Abiturienten nur Lücken zeigte. In den Pausen erkundigte er sich bei Knötchen über das Innenleben des Karabiners, und wann sie vor die Kanonen kämen. Er brachte seine Fragen so unwissend vor, daß sie Knötchen auch moralisch über die Abiturienten erhoben. »Wegen ihrer lumpigen Schulbildung«, meinte er zu Ginster, »werden die Lausbuben später Offiziere und behandeln uns wie die Hunde.« Nach solchen dienstfreien Äußerungen konnte er sich plötzlich abwenden, als bereue er sie, und die Bescheidenheit Ginsters völlig vergessen. Alles wieder in Grau. Ginster fand es richtig, daß die jungen Leute scharf angepackt wurden. Übrigens fragte er zwar in der Absicht, sich durch seine schwere Auffassungsgabe die Vorgesetzten günstig zu stimmen, wußte aber auch tatsächlich um die erfragten Dinge keinen Bescheid. An ihrer Ermittlung lag ihm allerdings nichts. Einmal näherte er sich abends dem Unteroffizier Wernecke, der gerade unbeschäftigt am Saaleingang stand. Der Unteroffizier erinnerte ihn an ein im maurischen Stil errichtetes Haus zu F., das einer türkischen Zigarettenfabrik glich, die einer echten Moschee nachgebildet war. So sah auch Wernecke erst auf dem Umweg über Ginsters Mathematiklehrer einem Unterbeamten ähnlich. Vielleicht war er wirklich einer. Wie ein Liebhaber strich Ginster öfters an ihm vorbei, um ihm zärtliche Anerbietungen zu machen.
    »Gestatten Herr Unteroffizier …«
    »Bitte?«
    »… wie ist das mit dem Seitengewehr?« Er hatte etwas anderes sagen wollen, aber durch die bloße GegenwartWerneckes war der ganze Aufmarschplan abhanden gekommen. Der Unteroffizier blickte ihn an.
    »Ich meine nur … wann werden wir zum erstenmal ausgehen dürfen?« »Erst müßt ihr grüßen können, sonst wird nichts daraus.«
    »Jawohl.«
    Ginster fühlte, daß er nicht weiter gehen dürfe, stand stramm, trat ab. Eigentlich hatte er noch fragen wollen, ob der Unteroffizier verheiratet sei. Den Vizefeldwebel oder gar den Kompaniefeldwebel Künzelmann, der von der Schreibstube aus alles unter sich hatte, gab er von vornherein auf, weil beide vermutlich doch keine Nebeneingänge besaßen. Wie glatte Wände ragten sie auf. Ihre Unzugänglichkeit trieb ihn in sich zurück – eine Bewegung, die er durch seine geringe Nahrungsaufnahme noch förderte. Je mehr er sich verdünnte, eine desto kleinere Angriffsfläche bot er dar. Tag für Tag hatten ein paar Mann das abgezählte Essen aus der Kaserne in Kesseln zum Berner Hof zu tragen; die Kommißbrote wurden von den Leuten selbst gefaßt. Kaum eines erhielt sich bis zur gesetzten Frist, da der Appetit die Laibe an Größe übertraf. Wenn Ginster auch von zu Hause her wußte, daß Gespräche über das Essen seine Schmackhaftigkeit erhöhten, wunderte ihn doch die Klatschsucht der Leute, die sich auf jeden Bissen erstreckte. Kein Opernsänger unterlag einer so feinen Kritik. Sie dauerte noch an, wenn der Bissen längst verschlungen war, und schien selbst einen Nährwert zu bergen. Statt ihn sich

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