Girlfriend in a Coma
miteinander getrieben?« Wendys Seufzer kommt einer Bestätigung gleich. »Du Mistkerl!« schreit er mich an und wirft einen Gartenstuhl an die Stelle, wo er mich ungefähr vermutet. Eins der Stuhlbeine stößt den Kugelgrill um, und die glühenden Kohlen fallen wenige Zentimeter vor Richard auf den Boden.
»Du Vollidiot!« brüllt Richard. »Du hättest mir den Schädel einschlagen können.«
Linus beachtet ihn gar nicht und wendet sich mir zu. »Nicht mal, wenn du tot bist, kannst du dein Ding in der Hose lassen, du Hohlkopf.« Er dreht sich zu Wendy um. »Na schön. Wo habt ihr's getan? Wie habt ihr's getan? Jetzt weiß ich auch, weshalb du in letzter Zeit so geistesabwesend warst.«
»Im Canyon. Vor zwei Wochen. Es war kein Sex-Sex«, sagt Wendy. »Es lief nur zwischen unseren Seelen ab. Ich hab' mich nicht mal ausgezogen.«
»Komm mir bloß nicht mit diesem Seelen-Quatsch.“
» Linus«, sage ich, »beruhig dich. Ich hab einfach dafür gesorgt, daß sie sich nicht mehr einsam fühlt.“
»Ja. Klar.«
Wendy und ich seufzen. »Linus - soll ich dich etwa auch schwängern? Das ist nicht unmöglich. Ich kann das arrangieren.«
Richard fegt die Glut mit einem herumliegenden Ziegelstein zu einem kleinen Haufen zusammen. Linus ist verwirrt. Er will wütend sein, aber jetzt weiß er nicht mehr, worauf er seine Wut richten soll. Karen sagt: »Es ist nichts Schlechtes dabei, Linus.«
Linus schmollt, und die Gruppe steht schweigend da und schaut mich an. Überraschenderweise ist es Richard, der das Schweigen bricht und sagt: »Jared hat recht, wenn er sich Sorgen um uns macht.« Er legt seinen Marshmallow-Dreizack weg. »Wir haben doch offenbar tatsächlich keine Werte, keine Ideale. Unsere Wertvorstellungen haben wir uns immer so zurechtgebogen, daß sie unseren unmittelbaren Bedürfnissen entsprachen. Es gibt nichts wirklich Bedeutendes in unserem Leben.«
Gereizt wirft Hamilton ein: »In den letzten zwei Wochen habe ich mich zum erstenmal seit Jahren gut gefühlt, Richard, und jetzt fängst du an, mich wieder runterzuziehen. Müssen wir unsere Unzulänglichkeiten denn wirklich so gründlich analysieren?«
»Ja, ich glaube schon«, sagt Richard. »Jared ist hier, um uns dazu anzuhalten, uns einmal selbst unter die Lupe zu nehmen, Hamilton. Ich meine, sieh uns doch an: Anstatt einem höheren Zweck zu dienen, sind wir vielmehr damit beschäftigt gewesen, unsere »Persönlichkeit zu entwickeln und ›frei‹ zu sein.“
»Richard?« fragt Karen.
»Karen, laß mich ausreden: Das geht mir schon durch den Kopf, seit Jared zum erstenmal erschienen ist. Ich glaube, wir haben uns immer etwas Edles oder Heiliges in unserem Leben gewünscht, aber nur zu unseren eigenen Bedingungen. Ständig hatten wir was zu nörgeln: Das World Wide Web ist langweilig. Es gibt nichts im Fernsehen. Dieses Video ist zum Kotzen. Politik ist blöd. Ich möchte wieder unschuldig sein. Ich will dem Ich in mir Ausdruck verleihen. Was sind denn unsere Überzeugungen? Wenn wir welche hätten, hätten wir überhaupt den Mumm, ihnen zu folgen?« Marshmallows brutzeln und schleimen dann durch den Grillrost in die Glut. Papierartige Kohlehülsen werden von der Brise fortgeweht wie gebrauchte schwarze Kokons. »Das stimmt«, sagt Linus, und alle Augen richten sich auf ihn. Ich lasse ihn reden, denn was er sagt, ist richtig. »Unser Leben ist immer statisch geblieben, selbst noch, als wir alles auf der Welt - ach, Scheiße: die Welt selbst - verloren hatten. Ist das nicht krank? Nach allem, was wir gesehen und durchgemacht haben, gucken wir Videos, essen Junkfood, werfen Pillen ein und jagen Sachen in die Luft.« Hamilton sagt: »Okay, Helen Keller, komm zum Punkt. Und wenn du uns noch mehr die Laune verdirbst, stell' ich die Möbel um und sag' dir nicht, wie.“
»Hamilton«, fährt Richard fort, »sag mal - haben wir uns jemals wirklich zusammengesetzt und uns gewünscht, daß aus dem Zusammenbruch der Welt Weisheit oder der Glaube an etwas erwachsen würde? Nein. Statt dessen sind wir fast ausgeflippt, weil irgendein Matscher am Tag des Schlafes vergessen hat, das Der Pate III -Video zur Blockbuster-Videothek zurückzubringen, und wir es jetzt nicht sehen können. Hatten wir die Demut, uns zusammenzutun und gemeinsam auszusprechen, was uns auf der Seele lag? Was haben wir je für einen Beweis erbracht, daß wir ein Innenleben besitzen?« Karen horcht auf: »Natürlich haben wir ein Innenleben, Richard. Ich jedenfalls hab' eins. Wie auch nicht?
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