Girlfriends 04 - Kuess Weiter, Liebling!
sie die ganze Nacht im Krankenhaus verbracht hatte.
Sie parkte den Wagen ihrer Schwester unter dem Portikus und lief über einen von Weinreben umrankten Weg zu einer schweren Doppeltür mit schmiedeeisernen Klinken. Sie klingelte und verschränkte fröstelnd die Arme. Es war frisch heute Morgen. Am Abend zuvor hatte sie das Haus so überstürzt verlassen, dass sie ihre Jacke vergessen hatte.
Schon seit sie auf das Gelände der geschlossenen Wohnanlage gefahren war, hatte sie sich leicht unwohl gefühlt. Hier stank alles nach dem Geld und dem elitären Denken, das in ihr seit jeher Unbehagen ausgelöst hatte. Als sei sie ein Eindringling. Es lag nicht daran, dass sie sich selbst nicht für gut genug hielt. Sie war erfolgreich und verdiente mit ihrer Schreiberei sehr gut, aber wieder in Cedar Creek zu sein erinnerte sie an die Zeit, als sie in der Kleinstadt aufgewachsen war. Genau auf der Grenze zwischen Betuchten und Habenichtsen.
Als Kind war sie mit dem Bus zu Schulen in wohlhabenderen Gegenden gekarrt worden und hatte nie richtig dazugehört. Teils, weil ihre Familie der Mittelklasse angehörte, und
teils, weil sie meist in ihrer eigenen Traumwelt lebte. An der Grundschule und der Highschool hatte sie nur wenige Freunde gehabt, die sie aus den Augen verloren hatte, nachdem sie auf die Uni gegangen war.
Die guten Freundinnen, die sie in Idaho gefunden hatte, passten viel besser zu ihr. Zu ihnen verspürte sie ein viel größeres Zugehörigkeitsgefühl, als sie es je zu ihrem Heimatort verspürt hatte. Aber jetzt war sie wieder hier, in Texas, auf der Veranda einer protzigen Villa, und kam sich in ihrem dünnen weißen Pulli mit dem Reißverschluss und den Kaffeeflecken total deplatziert vor.
Sie war jetzt seit einer Woche wieder in der Stadt. Sieben anstrengende Tage, in denen sie ihre Schwester tatkräftig unterstützt hatte und die darin gegipfelt hatten, dass sie am gestrigen Abend mit Sherilyn ins Krankenhaus gebraust war. Wenigstens hatte Adele sich heute Morgen noch schnell das Gesicht waschen und die Zahnbürste zum Einsatz bringen können, die sie sich im Geschenkladen der Klinik organisiert hatte, bevor sie losgefahren war, um Kendra abzuholen.
Ein Flügel der schweren Tür schwang auf, und ein Mädchen mit langen blonden Haaren stand vor ihr. »Sind Sie Kendras Mama?«, fragte sie und flachte ihre Vokale ab wie eine echte Texanerin.
»Ich bin ihre Tante.« Das Mädchen war spindeldürr und hatte etwas leicht Vertrautes. Etwas, das Adele nicht genau ausmachen konnte. Aber vielleicht war es auch nichts. Immerhin war sie erschöpft und konnte nicht klar denken.
»Ich bin Tiffany.« Sie schwang die Tür weit auf und lächelte, wobei ihre Zahnklammer zum Vorschein kam. »Kommen Sie doch rein. Wir sind gerade mit dem Frühstück fertig.«
Adele trat ein und lief über die Terrakotta-Fliesen mit einem Marcala-Medaillon in der Mitte des riesigen Eingangsbereichs.
Ihre Flipflops klatschten an ihre Fersen, während sie Tiffany durch die Halle in die Küche folgte, wo alles aus Marmor, Granit und rostfreiem Stahl bestand. Die Morgensonne strömte durch ein großes Bleiglasfenster und warf seltsame Muster auf den Boden und die handelsüblichen Haushaltsgeräte.
In einem weißen Lichtfleck stand Kendra, die rechte Hüfte an die Theke gelehnt. Bis auf die Harris-Augen war sie ihrem Vater William wie aus dem Gesicht geschnitten.
»Wo ist Mom?«, fragte Kendra und biss in ein Pop-Tart mit pinkfarbenem Zuckerguss.
»Ich musste sie gestern Abend ins Krankenhaus bringen.«
Kendra richtete sich ruckartig auf und schluckte. »Was ist passiert? Ist sie immer noch dort? Geht es ihr gut?«
»Sie hat etwas, das sich Präeklampsie nennt.«
»Was ist das?«
Das wusste Adele selbst nicht so genau. Die Ärzte hatten viel über einen hohen Proteinspiegel und gefährlich hohen Blutdruck gesprochen, aber Adele hatte die Gründe nicht richtig verstanden. Nur, dass es sehr ernst war. Sie erklärte es, so gut sie konnte. »Da passiert etwas in der Plazenta, das hohen Blutdruck verursacht.« Vielleicht. »Es geht ihr gut, aber die Ärzte sagen, sie muss noch ein Weilchen im Krankenhaus bleiben.« Es konnte gut sein, dass Sherilyn die restlichen vier Monate ihrer Schwangerschaft im Krankenhaus verbringen musste, was bedeutete, dass Adele länger als geplant in Texas festsaß. Viel länger.
»Geht es dem Baby gut?«
»Dem geht’s gut.« Bis jetzt. »Hol deine Sachen, dann bring ich dich zu ihr.«
Kendra nickte, und ihr
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