Girlfriends 04 - Kuess Weiter, Liebling!
sich zu spüren.
In den zwei Tagen, seit er in Austin war, hatte er nicht angerufen.
Natürlich war er über die Feiertage mit seiner Familie beschäftigt, und vielleicht war es auch besser so, dass er weg war. Sie brauchte Zeit für sich. Zeit zum Nachzudenken. Die Krankenhausbesuche, die Betreuung einer Dreizehnjährigen und das Abenteuer mit Zach hatten sie viel Kraft gekostet, und sie brauchte eine Pause von der emotionalen Achterbahnfahrt ihres Lebens hier in Cedar Creek.
Um vier Uhr nachmittags verließen Kendra und sie die Klinik. Nach einem leichten Abendessen ging Adele ins Bett und wachte am Morgen erst um sieben auf. Sie war immer noch müde, ihr war ein bisschen schlecht, und sie nahm an, dass sich der Stress der letzten Tage und die weihnachtliche Schokoladenorgie jetzt rächten. Als sie sich auf die Seite rollte, um weiterzuschlafen, klingelte das Telefon. Ein paar Sekunden lang hoffte sie, es wäre Zach.
Es war das Krankenhaus. Sherilyn war gerade in den Kreißsaal geschoben worden. Ihr Blutdruck war in die Höhe geschossen, und sie holten das Baby per Kaiserschnitt.
»Kendra«, rief Adele panisch und rannte ins Zimmer ihrer Nichte. »Wir müssen in die Klinik. Deine Mama kriegt das Baby.«
Sie schnappten sich ihre Klamotten und zogen sich so rasch wie möglich an.
»Gestern ging’s ihr doch noch gut«, schniefte Kendra, die vor Angst weinte.
Auf dem Weg zum Krankenhaus missachtete Adele alle roten Ampeln, doch bis Kendra und sie es zur Entbindungsstation geschafft hatten, war Harris Morgan schon auf der Welt und so schnell wie möglich auf die Neugeborenen-Intensivstation gebracht worden. Kendra schluchzte hemmungslos in dem winzigen Warteraum, wo sie ausharrten, bis Sherilyn in den Aufwachraum gefahren wurde. Adele nahm ihre Nichte tröstend
in die Arme und riss sich zusammen, bis sie ihre Schwester endlich zu Gesicht bekam, die bis zum Kinn mit einem weißen Laken zugedeckt war. Sherilyn sah total erledigt aus, und ihre Augen waren vom Weinen gerötet. Kendra legte den Kopf auf die Brust ihrer Mutter und wirkte sehr jung und verängstigt.
»Geht’s dir auch gut, Mama?«, fragte Kendra unter Tränen.
»Ich bin zwar müde, aber es geht mir gut.«
»Es tut mir leid, dass ich nicht da war, als du mich brauchtest«, sagte Adele kleinlaut und unterdrückte die Tränen, die in ihren Augen brannten.
»Du warst da, als ich dich am meisten brauchte«, beruhigte Sherilyn sie und streichelte Kendras Arm. »Ich weiß nicht, was wir in den letzten Monaten ohne dich gemacht hätten, Dele. Danke.«
Adele lächelte. »Ich bin froh, dass ich gekommen bin.« Und das stimmte sogar.
»Hast du ihn gesehen?«, fragte Kendra.
Sherilyn hielt noch ein paar Sekunden Adeles Blick, bevor sie sich abwandte und an der Stirn ihrer Tochter sprach. »Er hat dunkle Haare, genau wie du. Als sie ihn auf die Welt geholt haben, hat er geschrien. Was gut ist. Er hat geklungen wie ein Kätzchen.« Sie hob den Blick wieder zu Adele, die sich eine Träne von der Wange wischte. »Hier wird nicht mehr geweint. Mir geht es bald wieder gut. Dem Baby geht es gut. Bald geht’s uns allen wieder gut.«
Später fuhren Kendra und Adele Sherilyn im Rollstuhl zur Neugeborenen-Intensivstation, und die drei durften Harris in seinem Brutkasten betrachten. Er hatte ein blaues Strickmützchen auf, und an seiner Wange klebte der Schlauch seiner Nasenkanüle. Auf seinem Bauch war eine Temperatursonde befestigt, und in seinem winzigen Handrücken steckte eine Infusion. Als sie sanft seine Füßchen und Beinchen streichelten,
öffnete er die Augen und sah sie an. Dann gähnte er, als hätte er einen anstrengenden Tag gehabt, was ja auch stimmte, und schlief wieder ein.
Die nächsten drei Tage verstrichen in einem Wirrwarr aus schlaflosen Nächten und großer Sorge. Sherilyns Blutdruck normalisierte sich langsam wieder, und Harris nahm 56 Gramm zu. Am Samstagnachmittag ging es Sherilyn so gut, dass sie entlassen werden konnte, aber das Baby musste noch bleiben, bis es mehr an Gewicht zulegte. Seine Lungenfunktion war gut und wurde mit jedem Tag besser, was die größte Sorge gewesen war.
Als die Schwestern Sherilyns Sachen zusammenpackten und darauf warteten, dass die frisch gebackene Mama mit dem Rollstuhl zum Ausgang gebracht wurde, betrat William Morgan das Zimmer. Er sah älter aus als in Adeles Erinnerung. Kleiner. Sein dunkles Haar wurde langsam schütter. Sie war heilfroh, dass er seine Freundin nicht mitgebracht hatte.
»Wenn du uns
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