GK0038 - Die Tochter der Hölle
er.
»Wieso?« fragte John bewußt naiv. »Stimmt etwas mit dieser Abtei nicht?«
Lord Cheldhams Kopf ruckte herum. »Nein, nein, es ist alles in Ordnung. Leider ist dieses alte Gemäuer baufällig. Ich werde erst im nächsten Jahr mit der Renovierung anfangen können. Sie wissen bestimmt selbst, Firmen, die solche Arbeiten durchführen, sind dünn gesät. Aber dann, Mr. Sinclair, können Sie die Abtei unbehelligt besichtigen.«
Lord Cheldham erhob sich. »Es hat mich gefreut, Ihre Bekanntschaft zu machen, Mr. Sinclair. Und diese dumme Sache vergessen wir beide, einverstanden?«
John, der ebenfalls aufgestanden war, nickte schnell. »Selbstverständlich, Mylord.«
»Ich werde Daniel rufen, damit er sich noch einmal entschuldigt und Sie hinausbringt.«
Lord Cheldham ging in Richtung Tür. John, der ihm folgte, stutzte plötzlich.
Er hatte in der Zimmerecke eine schwarze Handtasche entdeckt. Schon aus dieser Entfernung war zu erkennen, daß es sich hierbei um ein billiges Kaufhausmodell handelte.
»Gehört die Tasche Ihrer Frau, Mylord?« fragte John.
Lord Cheldham zuckte zusammen, hatte sich aber sofort wieder in der Gewalt.
»Welche Tasche?« erkundigte er sich betont beiläufig.
John wies auf die Zimmerecke.
»Ach die.« Der Lord zuckte die Achseln. »Hat eines unserer Zimmermädchen vergessen. Das Personal heute ist schrecklich. Aber kommen Sie jetzt, Mr. Sinclair. Ich habe noch zu arbeiten.«
Ich auch, dachte John. Und dabei meinte er besonders die folgende Nacht.
In einem Hotelzimmer würde er sie bestimmt nicht verbringen. Da gab es schon ein lohnenderes Ziel.
Die alte Abtei.
***
Gilda Moore war am Ende ihrer Kraft. Sowohl physisch als auch psychisch.
Ihre beiden Bewacher hatten das Mädchen regelrecht fertiggemacht und anschließend in ein völlig finsteres Verlies gesperrt.
Schluchzend lag Gilda Moore auf dem rauhen, kalten Steinboden. Sie wußte überhaupt nicht, in welchem Teil des Schlosses sie sich befand und weshalb man sie hier gefangenhielt.
Am schlimmsten war die Dunkelheit. Fast noch grauenvoller als die vorhergegangenen körperlichen Schmerzen. Gilda hatte das Gefühl, die rabenschwarze Finsternis würde sie erdrücken. Das Atmen wurde zu einer Qual.
Gilda konnte förmlich spüren, wie der Sauerstoffgehalt in ihrem Gefängnis abnahm.
Auf Händen und Füßen robbte Gilda durch das Verlies. Sie wollte die ungefähre Größe dieses gräßlichen Raumes feststellen. Das Mädchen fand kaum die Kraft, aufzustehen, und nach ein paar Schritten brach Gilda wieder zusammen. Sie hatte das Gefühl, schon einige Meilen zurückgelegt zu haben.
Unter unsäglichen Mühen streckte Gilda ihren rechten Arm aus. Ihre Hand stieß gegen eine rauhe Steinwand. Gilda schob sich ein Stück vor, bis sie die Wand erreicht hatte.
Dann zog sie sich langsam daran hoch.
Gilda fiel noch zweimal zurück, ehe sie es schaffte, auf ihren Füßen zu stehen.
Und dann kam die Kälte. Sie kroch von unten her durch Gildas Körper und brachte einen Schüttelfrost nach dem anderen mit sich.
Schon bald kam die Panik. Sie war schlimmer als das bisher Erlebte. Fast von einer Sekunde zur anderen begann Gilda zu toben, trommelte mit ihren Fäusten gegen die rauhen Steinwände, riß sich dabei die Handflächen auf und schrie immer wieder: »Ich will hier raus! Ich will hier raus!«
Niemand hörte ihr Schreien.
Schließlich brach Gilda Moore zusammen. Nur noch ein klägliches Wimmern entrang sich ihrer Kehle.
Wie lange sie so auf dem kalten Boden gelegen hatte, wußte sie nicht, sie schreckte nur zusammen, als sie ein Geräusch hörte.
Es war von vorn gekommen, das konnte Gilda in der Dunkelheit feststellen.
Wollte man sie hier rausholen?
Gilda schöpfte neue Hoffnung.
»Hilfe!« rief sie, so laut sie konnte, aber es wurde nur ein heiseres Krächzen.
Das Geräusch wiederholte sich. Etwas knirschte, so als würde Stein auf Stein reiben.
Und dann sah Gilda den Lichtschein. Er fiel wie eine Lanze in das Verlies, wurde von Sekunde zu Sekunde größer, und Gilda sah, wie sich vor ihr ein Stein in dem kompakten Mauerwerk drehte.
Da kommt Rettung!, schoß es ihr durch den Kopf.
Gilda Moore dachte in ihrer aussichtslosen Lage gar nicht mehr daran, daß es für sie noch schlimmer werden sollte.
Auf allen vieren kroch Gilda dem Lichtschein zu, der sich auf einmal verdunkelte.
Eine Gestalt war in das Verlies getreten. Die Gestalt trug eine alte Sturmlaterne in der Hand. Das dunkelrote Licht geisterte über die dicken
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